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Das Insekt

Das Insekt

Titel: Das Insekt
Autoren: Graham Masterton
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ist.«
    »Ich kann nichts versprechen, aber man weiß ja nie. In der Zwischenzeit telefonierst du weiter herum. Klapper Dukes Stammkneipen ab, sprich mit seinen Freunden.«
    »Er hat keine Freunde.«
     

 
    Leben ohne Duke
     
     
    Die nächsten vier Tage verliefen wie in einem Stummfilm.
    Am Morgen erwachte sie in einem stummen Haus. Zum Frühstück aß sie einen Joghurt und starrte auf den laufenden, tonlosen Fernseher. Danach stellte sie sich an das Wohnzimmerfenster und sah hinaus, hoffte, jeden Moment Duke und Ray zu sehen, die lachend und winkend über die Straße auf sie zukamen. Aber sie kamen nicht.
    Wenn am Nachmittag die Sonne um das Haus gewandert war, setzte sie sich mit ein paar Zeitschriften in den Garten, aber mit einem Ohr lauschte sie immer nach dem Telefon. Wenn es klingelte, sprang sie auf und spürte unweigerlich einen brennend salzigen Geschmack im Mund.
    Am fünften Tag rief Lieutenant Munoz an, gerade als Bonnie ihren Joghurt gegessen hatte. »Also wir haben da einen Auftrag im Benedict Canyon für dich. Wir könnten uns da so gegen zehn treffen, wenn du interessiert bist.«
    »Ich weiß nicht, Dan.«
    »Das ist eine knifflige Angelegenheit, Bonnie, die möchte ich niemand anderem anvertrauen. Technisch gesehen macht Ken Kessler wahrscheinlich auch gute Arbeit und er würde es machen, aber für diese Sache muss man schon das richtige Händchen haben. Wenn du herkommst, siehst du schon, was ich meine.«
    »Na gut… Zu Hause herumsitzen tut mir sowieso nicht gut.«
    »Na also. Bis später.«
    Noch nie in ihrem Leben hatte Bonnie so viel Blut gesehen. Konnte ein einzelner Mensch eine solche Menge Blut verlieren und kriechend im ganzen Haus verteilen?
    Dieses Haus stand am Ende einer scharfen Kurve auf der Ostseite des Canyons. Ein modernes einstöckiges, weiß gestrichenes Gebäude mit Bougainvillea-Sträuchern vor der Veranda. Auch innen war das Haus vollkommen weiß. Die Wände, die Teppiche, die Vorhänge, die Möbel, sogar die von der Klimaanlage stark heruntergekühlte Luft schien weiß. Man hatte den Eindruck, in einem Iglo zu sein.
    Umso größer war der Effekt des Blutes. Es gab Blutpfützen, Blutspuren, Blutspritzer, die wie die Kreationen eines Aktionskünstlers aussahen. Das Blut klebte an den Wänden, auf den Möbeln und an der Kühlschranktür. Die ganzen sechs Liter Blut, die ein Mensch hatte.
    Zuerst führte Dan Bonnie in das Wohnzimmer. »Folgendes ist passiert«, sagte er. »Mrs Chloris Neighbor ging wie jeden Donnerstag Nachmittag in ihre Tanzstunde. Ihr Mann Anthony Neighbor war freier Architekt und hatte sein Büro zu Hause, also hatte er donnerstags immer sturmfreie Bude. Letzten Donnerstag nutzte er den freien Nachmittag, indem er sich nackt ein Pornovideo ansah. Während er sich so amüsierte, muss Anthony Neighbor irgendwann beschlossen haben, den erotischen Genuss noch dadurch zu steigern, dass er sich eine Leuchtstoffröhre in den Hintern schob. Offenbar hatte er so viel Freude daran, dass er schließlich so weit ging, die Leuchtstoffröhre auch noch anzuschalten. Sie explodierte und verursachte schwere innere Verletzungen. Wir können nur vermuten, dass es ihm zu peinlich war, einen Notarzt anzurufen. Jedenfalls krabbelte er so lange von Zimmer zu Zimmer, bis er einfach verblutet war. Und entsprechend sah es aus, als Mrs Neighbor nach Hause kam.«
    Bonnie rieb mit der Schuhspitze über den Teppich. »Das wird aber teuer.«
    »Mrs Neighbor ist draußen. Rede mit ihr.«
    »Okay.«
    Sie traten aus dem Haus. Mrs Neighbor stand unter einem Baum im Garten. Ihr Gesicht wurde von den Sonnenstrahlen beleuchtet, die durch die Blätter brachen. Sie war klein, sehr dünn, hatte einen aschblonden Pagenschnitt und einen gehetzten Blick. Sie trug einen chinesischen Cheongsam aus schwarzer Seide und sah darin weniger wie eine Frau als vielmehr wie ein ängstliches kleines Tier aus.
    »Mrs Neighbor? Mein Name ist Bonnie Winter, und ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen.«
    »Vielen Dank. Ich kann immer noch nicht begreifen, warum ich meinen Mann auf diese Art verlieren musste.«
    »Ja, das ist schwer.«
    »Ich komme mir so… so unzulänglich vor. Das ist glaube ich das richtige Wort. Verstehen Sie? Sonst hätte er doch nie…«
    »Sie dürfen nicht sich die Schuld geben, Mrs Neighbor. Wer weiß schon, was in Männern vorgeht.« Sie warf Dan einen schnellen Blick zu.
    »Ich kann das Blut nicht selbst beseitigen. Es bedeutet mir zu viel. Er bedeutete mir zu viel. Ich habe ihn
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