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Das höllische Ich

Das höllische Ich

Titel: Das höllische Ich
Autoren: Jason Dark
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gestand ich ein. »Aber nicht ihm, sondern dem, was er gesagt hat. Ich grüble über das zweite Ich nach.«
    »Es ist auf jeden Fall eine geistige Kraft, kann ich mir vorstellen. Oder denkst du anders darüber?«
    »Nein, denke ich nicht. Nur eine geistige Kraft schafft es, derartige Wege zurückzulegen.«
    »Kann man sie auch als eine böse Kraft bezeichnen?«
    »Das sollte man sogar.«
    »Okay, frag weiter.«
    Ich hatte es vorgehabt und kam wieder auf das zweite Ich zu sprechen. »Lou, wie haben Sie gemerkt, wenn es kommen wollte oder gekommen ist? Hat es sich angemeldet?«
    »Ja.«
    Diese Antwort überraschte uns alle. Wir waren so perplex, dass wir erst mal nichts sagen konnten.
    »Und wie merkten Sie es?«, fragte Suko leise.
    »Ich habe es gesehen!«
    Um Himmels willen. Das war der nächste Schlag, der uns erwischte. Lüge oder die Wahrheit? Die Auskunft konnte uns nur Lou Ganzaro geben, und ich drängte ihm die Frage auf.
    »Es kommt aus der Luft. Es zittert. Es ist dunkel.«
    »Schatten?«
    »Kann man sagen. Sie kommen, sie gleiten in mich hinein.« Er zuckte mit den Schultern. »Und dann ist es da...«
    »Danach sind Sie eine andere Person?«
    »So sehe ich es.«
    Schatten, die sich in ihn hineindrängten und ihn übernahmen... Sollte ich das glauben?
    Hätte ich am Beginn meiner Arbeit gestanden, ich hätte sicherlich den Kopf geschüttelt. Aber jetzt war das etwas anderes. Wir hatten einfach schon zu viele unwahrscheinliche und auch unglaubliche Dinge erlebt, sodass wir über diese Aussagen nicht so einfach hinweggehen konnten, was ich auch nicht tat.
    »Kommen sie, wann sie wollen?«, fragte ich.
    »Die Schatten? Ja.« Lou nickte. »Sie kommen, wann sie wollen. Dann übernehmen sie mich.«
    »Und Sie haben wirklich keine Ahnung, wer oder was sich dahinter verbirgt?«
    »Eine böse und sehr dunkle Macht.«
    »Genauer!«
    »Vielleicht die Hölle«, raunte er. »Der Teufel und seine Vasallen. Er ist immer präsent. Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo man sich vor ihm verstecken kann.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Ich bekam keine Antwort, denn er spann seinen Faden weiter und ignorierte mich. »Er kann in jeden Menschen eindringen und ihn übernehmen. Er befehligt Heerscharen von Helfern. Es sind die bösen und auch die dunklen Engel. Die andere Seite der Macht.«
    Ich wiederholte meine Frage. »Woher wissen Sie das?«
    »Aus der Kirche.«
    »Oh, Sie gehen in die Kirche?«, wunderte sich Purdy.
    »Ja, ich bin sehr gläubig, ich gehöre zur Gemeinde. Wir beten für die Welt, dass sie vom Bösen verschont bleibt, weil wir wissen, dass es das Böse gibt.«
    »Das meine ich auch.«
    »Schön, und die anderen?« Er lächelte uns plötzlich an.
    Wir stimmten ihm zu, und in meinem Kopf hatte sich bereits ein Gedanke festgesetzt. Wenn dieser Mensch so gläubig war, obwohl er zwei Morde begangen hatte, würde es ihm sicherlich nichts ausmachen, wenn ich ihn mit dem Kreuz konfrontierte. Allerdings wusste ich nicht, welcher Kirche oder Gemeinschaft er angehörte. Es gab auch einige, die mit diesem Symbol nichts zu tun haben wollten.
    »Darf ich Ihnen etwas zeigen?«, erkundigte ich mich sehr höflich.
    »Ja, wenn es sein muss.«
    »Es ist so etwas wie ein Test. Aber jemand mit einem guten Gewissen muss sich davor nicht fürchten.«
    »Ich stelle mich ihm.«
    »Danke.«
    Ein derartig höfliches Gespräch hatte ich mit einem Mörder noch nie geführt. Da konnte man mal wieder sehen, welche Überraschungen das Leben bereithielt.
    Lou Ganzaro beobachtete mich sehr genau, als ich die rechte Hand zum Hals führte und meine Finger die schmale Kette zu fassen bekamen. Ich hielt sie fast mit den Nägeln fest und zog sie in die Höhe. Zugleich bewegte sich das Kreuz mit, das an ihr hing. Es dauerte wirklich nicht lange, bis es unter der Kleidung hervorrutschte und seinen silbernen Glanz offen verbreiten konnte.
    Ganzaro saß noch immer auf dem Bett und schaute gespannt zu mir hoch, damit er auch nur alles mitbekam.
    Ich legte das Kreuz auf meine Hand, schloss sie kurz zur Faust und öffnete diese wieder, als sie sich in Augenhöhe des Doppelmörders befand.
    Er sah das Kreuz.
    Ich beobachtete ihn...
    Zunächst tat sich nichts in seinem Gesicht. Er runzelte die Stirn, seine blassen, etwas eingefallenen Wangen zuckten, und er leckte sich über die trockenen Lippen.
    Das war durchaus eine gute Reaktion. Wäre er besessen gewesen, dann hätte er anders reagiert und wäre in einen Tobsuchtsanfall hineingeraten, um alles zu demolieren
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