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Das Herz des Südens

Das Herz des Südens

Titel: Das Herz des Südens
Autoren: Gretchen Craig
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griff in ihre Tasche und zog einen kleinen Leinenbeutel heraus, der mit einem Band zugeschnürt war. Sie trug einen ähnlichen Beutel an ihrem Kleid. »Hier«, sagte sie. Der Beutel roch intensiv nach Kampfer, aber Phanor nahm ihn trotzdem. »Das ist für Sie, nicht für Ihre Freundin. Sie sollten es um den Hals tragen.« Dann nahm sie eine Tasse und gab ihrem kleinen Patienten einen Schluck Wasser. Es war offensichtlich, dass das Gespräch beendet war.
    Phanor ging zurück auf die offene Veranda und atmete tief durch. Im Hof unter ihm brüllte ein großer, hellhäutiger Farbiger gerade: »Und seht zu, dass ihr die verdammten Katzen draußen haltet!« Einer der Helfer, die Phanor drinnen gesehen hatte, murmelte etwas und schreckte vor dem Zorn des anderen zurück.
    Der zornige Mann trug den schwarzen Rock und den hohen Hut der Ärzte. Er war kein Weißer, aber Phanor hatte schon davon gehört, dass es hier in der Stadt auch farbige Ärzte gab. Er wartete am oberen Ende der Treppe auf ihn.
    »Bitte«, sagte Phanor, »sind Sie Arzt, Monsieur?«
    »Ja.«
    »Eine Freundin von mir ist krank. Würden Sie mitkommen und nach ihr sehen?«
    »Hat sie das Gelbfieber?«
    »Ja. Sie wohnt nicht weit von hier, nur ein paar Minuten. Haben Sie einen Wagen?«
    »Monsieur«, unterbrach ihn der Arzt mit einer Handbewegung ins Innere des Krankenhauses. »Sie sehen doch all diese Leute. Ich kann mich nicht zerreißen, mein Freund, ich werde hier gebraucht.«
    »Aber Sie könnten sie zur Ader lassen oder …«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Ich lasse Fieberkranke nicht mehr zur Ader, das hilft überhaupt nicht.« Dann legte er Phanor eine Hand auf den Arm und sprach in freundlicherem Ton weiter. »Versuchen Sie es mit einer Schüssel Zwiebelscheiben neben dem Bett. Halten Sie die Hände der Patientin sauber und geben Sie ihr so viel zu trinken wie möglich. Ihr Leben liegt allein in Gottes Hand.«

39
    Josie machte aus einem sauberen Geschirrtuch eine frische Windel für Gabriel. Sie saß auf der harten Bank neben ihrem Arbeitstisch und schaukelte ihn, bis er endlich nachgab und einschlief. Lange nachdem sie ihn auf dem bereitliegenden Stapel Schürzen hätte zur Ruhe betten können, hielt sie ihn immer noch fest im Arm und bewunderte seine dichten, dunklen Wimpern. Seine Öhrchen hatten genau dieselbe Form wie die Ohren seines Vaters, dachte sie, aber die Oberlippe hatte er auf jeden Fall von Cleo. Sie mochte ihn so sehr lieben, wie sie wollte, er war nicht ihr Kind. Er war Cleos Kind.
    Was auch immer Gott mit ihr auf dieser Erde vorhaben mochte, er wollte sicher, dass sie irgendwann selbst ein Kind bekam. Sie schloss die Augen und sprach ein kurzes Gebet. »Maria, Mutter Gottes, hilf, dass es so wird«, flüsterte sie.
    Endlich legte sie ihn hin, entfernte die Asche aus den Kochstellen, verpackte die übrig gebliebenen Pasteten und befestigte die Läden vor den Fenstern. Dann setzte sie sich ihre Haube auf, suchte eine Kopfbedeckung für Gabriel, schloss die Küche ab, nahm ihren Korb und marschierte mit dem Kleinen hinaus ins grelle Sonnenlicht. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis an der Stelle, wo sie Gabriel an sich drückte, ein dunkler Schweißfleck entstand. Und obwohl sie nur eine halbe Meile zu gehen hatte bis zu der Küche, wo Louella allein arbeitete, war sie vollkommen erschöpft, als sie dort ankam.
    Louella hatte alle Fenster und die Tür geöffnet, obwohl es heute fast keine Kunden gab. Als Josie eintrat, fand sie Louella in einem Ledersessel neben der Theke schlafend. Nicht weniger als ein Dutzend verlassene Pasteten lagen noch auf dem Tisch, durch ein Leinentuch vor den Fliegen geschützt, und der Duft von Äpfeln und Zimt erfüllte die ganze Küche.
    Josie legte Gabriel hin und band ihm die viel zu große Haube ab. Dann suchte sie sich ein luftdurchlässiges Stück Käseleinen, um ihn zuzudecken, und wischte ihm die verschwitzte Stirn mit einem feuchten Tuch ab. Er schlief einfach weiter.
    Louella rührte sich hinter ihr. »Ja, um Himmels willen, Mamsell«, rief sie aus, »was hast du denn da?«
    Josie zog das Tuch ein bisschen weg, damit sie Gabriel ansehen konnte.
    »Ja, du lieber Gott, der kleine Gabriel! Aber wo ist Cleo?«
    Josie erzählte Louella alles, was sie selbst wusste, und erklärte ihr, sie würden die zweite Küche für den Rest des Sommers schließen. Solange das Fieber grassierte und so viele Schiffe in Quarantäne auf dem Fluss bleiben mussten, würden die Geschäfte nicht gut genug gehen, um zwei
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