Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Autoren: Nicole C. Vosseler
Vom Netzwerk:
Gedanken, dass er sicher eine Gouvernante für seine Enkelin einstellen würde; ein Gedanke, der die Hoffnung nährte, er würde diese Stellung vielleicht ihr anbieten.
    »Guten Tag, Frau van der Beek«, sprach er sie an, und Jacobina trat näher.
    »Guten Tag, Herr Achterkamp.« Sie wandte sich Ida zu. »Schau mal, Ida, das ist dein Großvater.« Ida deutete ein Nicken an und sah dann beiseite.
    »Bitte.« Herr Achterkamp wies auf einen Stuhl und ließ sich schwer wieder auf seinen Platz fallen.
    Jacobina setzte sich und nahm Ida auf den Schoß, und als sie wieder aufsah, hielt Herr Achterkamp die zitternden Finger vor den Mund, und Tränenbäche rannen durch die Falten in seinem Gesicht.
    »Sie sieht genau aus wie meine Greta in dem Alter.« Er wischte sich über seine welken Wangen und versuchte sich an einem Lächeln, das misslang. »Ihr Haar ist erst später so dunkel geworden. Genau wie bei meiner verstorbenen Frau.«
    »Möchten … möchten Sie sie auf Ihrem Schoß halten?«, bot Jacobina ihm an. Als er nickte, stand sie mit Ida auf und setzte sie Herrn Achterkamp auf die Knie; es rührte sie an, wie seine von roten Äderchen durchzogenen Augen leuchteten und wie behutsam er Idas Schultern umfasste. »Darf ich Ihnen etwas servieren lassen? Einen Tee vielleicht?«, fragte er, ohne Jacobina anzusehen.
    »Danke nein«, erwiderte sie, als sie sich wieder setzte. Ihr war übel; am liebsten wäre sie aufgesprungen und aus dem Haus gerannt, um den Schmerz der Trennung nicht noch hinauszuzögern. Um sich in Edwards Arme zu flüchten, der versprochen hatte, vor dem Haus auf sie zu warten, gleich wie lange ihr Aufenthalt hier auch dauern würde.
    Ida rutschte unruhig auf dem Schoß ihres Großvaters umher; augenscheinlich fühlte sie sich nicht ganz wohl, was auch Herrn Achterkamp nicht verborgen blieb. »Können Sie sie wieder nehmen?«
    »Natürlich.« Jacobina stand auf, hob Ida hoch und ließ sich mit ihr wieder auf ihrem Stuhl nieder, und Ida kuschelte sich eng an sie. Lange ließ Herr Achterkamp den Blick auf Ida, aber auch auf Jacobina ruhen.
    »Was für eine Tragödie«, flüsterte er schließlich. »Erst der Junge und dann auch noch mein einziges Kind.« Er nestelte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich geräuschvoll. »Das ist das erste Mal, dass ich eins meiner Enkelkinder zu Gesicht bekomme, stellen Sie sich das einmal vor.« Seine Augen hefteten sich auf Jacobina. »Meine Tochter hat mir nicht oft geschrieben. Sie hat mir nie verziehen, dass ich gegen ihre Heirat mit diesem Raubein war. Mit diesem Tunichtgut. Und ich habe mir immer Vorwürfe gemacht, dass ich doch noch meine Zustimmung gegeben habe. Denn in manchen Briefen klang sie sehr unglücklich.« Einer seiner Mundwinkel zuckte aufwärts. »In einem ihrer letzten Briefe hat sie Sie erwähnt. Noni Bina, richtig?« Als Jacobina nickte, setzte er hinzu: »Für Sie hat sie nur gute Worte übrig gehabt.«
    Jacobinas Wangen wurden heiß, und beschämt verbarg sie ihr Gesicht halb in Idas Haar; jener Brief war zweifellos vor jenem Tag geschrieben worden, an dem sie sich von Vincent de Jong hatte küssen lassen.
    Adriaan Achterkamp schwieg eine Weile, bevor er fragte: »Wie lange haben Sie vor in Amsterdam zu bleiben?«
    »Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Jacobina ausweichend. »Ich will noch meine Familie besuchen.«
    Herr Achterkamp nickte verstehend. »Sie haben Ida sehr ins Herz geschlossen, nicht wahr?«
    Jacobina schossen Tränen in die Augen. »Ja«, hauchte sie mit belegter Stimme.
    »Das merkt man.« Ächzend stemmte Herr Achterkamp sich auf seinen Stock gestützt hoch.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich Jacobina besorgt.
    »Nein, nein«, entgegnete er kopfschüttelnd und taperte zur Kommode unter dem Fenster. »Es geht schon.« Aus einer der Schubladen holte er eine Ledermappe hervor und kehrte mit ihr an den Tisch zurück, legte sie aber nur hin, bevor er sich wieder setzte, dann mit beiden Händen den Griff seines Stocks umfasste und Ida ansah.
    »Sie müssen mich für einen schlechten Menschen halten«, flüsterte er nach einiger Zeit. »Dass ich Sie um die halbe Welt habe kommen lassen.« Jacobinas Stirn zerfurchte sich, und er fügte mit entschuldigendem Lächeln hinzu: »Sehen Sie, ich hatte die Befürchtung, Sie würden nicht kommen wollen, wenn ich Ihnen schreibe, dass ich das Kind nicht nehmen kann. Und ich wollte so gerne noch mein Enkelchen sehen. Wenigstens ein Mal, bevor ich sterbe.«
    Jacobinas Kehle wurde eng, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher