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Das Haus Nucingen (German Edition)

Das Haus Nucingen (German Edition)

Titel: Das Haus Nucingen (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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verbreitete sich nun schnell wie ein Feuer im Strohschuppen. Es verlauteten die widersprechendsten Dinge. Aber man hatte infolge der zwei vorangegangenen Liquidationen ein solches Vertrauen zum Hause Nucingen, daß jedermann die Papiere Nucingen behielt. ›Palma muß uns in die Hand spielen,‹ sagte Werbrust. Palma war für die Firma Keller, die mit Nucingen-Papieren vollgepfropft war, eine Autorität. Ein Wort des Alarms von ihm genügte. Werbrust erreichte von Palma die Zusage, daß er die Sache an die große Glocke bringen wolle. Am andern Morgen tobte an der Börse der Alarm. Die Keller gaben, dem Rate Palmas folgend, ihre Papiere mit zehn Prozent Nachlaß ab, und ihnen folgte die ganze Börse, denn man kannte sie als sehr pfiffig. Taillefer gab daraufhin dreihunderttausend Franken zu zwanzig Prozent, Martin Falleix zweihunderttausend zu fünfzehn Prozent. Gigonnet erriet den Streich! Er schürte das Feuer, um sich mit Nucingen-Papieren zu versehen und zwei oder drei Prozent beim Wiederverkauf an Werbrust zu gewinnen. Er erblickte in einem Winkel der Börse den armen Matifat, der bei Nucingen dreihunderttausend Franken hatte. Der zitternde Drogist sah nicht ohne Erbleichen den schrecklichen Gigonnet, den Bankier aus seinem früheren Stadtviertel, auf sich zukommen: ›Es geht schlecht, die Krise zeigt sich an. Nucingen ist bedenklich! Aber das braucht Sie ja nicht zu kümmern, Vater Matifat, Sie haben ja mit dergleichen nichts mehr zu tun.‹ ›Da täuschen Sie sich, Gigonnet, ich bin mit dreihunderttausend Franken belastet, mit denen ich auf spanische Renten rechnete.‹ ›Sie sind gerettet; spanische Renten hätten Ihnen alles vernichtet, während ich Ihnen für Ihre Nucingen-Papiere so etwa fünfzig Prozent geben werde.‹ ›Lieber möchte ich die Liquidation sehen,‹ erwiderte Matifat. ›Hat jemals ein Bankier nur fünfzig vom Hundert gegeben! Ja, wenn es sich nur um zehn Prozent Verlust handelte,‹ sagte der frühere Drogist. ›Nun, geben Sie sie zu fünfzehn?‹ fragte Gigonnet. ›Sie scheinen es sehr dringend zu haben!‹ sagte Matifat. ›Guten Abend,‹ sagte Gigonnet. ›Wollen Sie sie zu zwölf?‹ ›Gut,‹ sagte Gigonnet. Zwei Millionen wurden am selben Abend von du Tillet zurückgekauft und von ihm bei Nucingen ausgeglichen, auf Rechnung der drei vom Zufall gewonnenen Verbündeten, die am andern Tage ihr Agio einzogen. – Die alte hübsche kleine Baronin d'Aldrigger saß mit ihren zwei Töchtern und Godefroid beim Frühstück, als Rastignac kam und die Unterhaltung auf die finanzielle Krise lenkte. Der Baron Nucingen habe eine große Zuneigung zur Familie d'Aldrigger, er habe dafür Sorge getragen, im Fall eines Unglücks das Konto der Baronin mit seinen besten Wertpapieren zu decken, mit Aktien der Bleigruben; zu ihrer eigenen Sicherheit aber müsse die Baronin ihn ersuchen, ihr Vermögen derart anzulegen. ›Der arme Nucingen,‹ sagte die Baronin, ›und was passiert ihm nun?‹ ›Er ist in Belgien; seine Frau verlangt die Gütertrennung; aber er ist fort, um bei einigen Bankhäusern Hilfe zu suchen.‹ ›Mein Gott, das erinnert mich an meinen armen Mann! Lieber Herr Rastignac, wie weh muß Ihnen das tun, der Sie dem Hause so eng verbunden sind.‹ ›Vorausgesetzt, daß alle Mißhelligkeiten beigelegt werden, werden seine Freunde später ihren Lohn bekommen; er ist ein geschickter Mann, er wird sich schon herausziehen.‹ ›Ein Ehrenmann vor allem!‹ sagte die Baronin.
    »Nach einem Monat war die Liquidation der Passiva des Hauses Nucingen vollendet, ohne andere Maßnahmen als der Briefe, mit denen ein jeder die Anlage seines Kapitals in angegebenen Wertpapieren verlangte, und ohne jede andere Formalität von seiten der Bankhäuser als den Umtausch der Nucingen-Papiere gegen Bleiaktien, die im Kurs stiegen. Während du Tillet, Werbrust, Claparon, Gigonnet und noch ein paar Schlauberger aus dem Auslande gegen ein Prozent Agio die Papiere Nucingen zurücknahmen (sie gewannen noch dabei!), indem sie sie gegen die hoch im Kurs stehenden Aktien austauschten, war der Aufruhr an der Pariser Börse um so größer, als niemand mehr etwas zu fürchten hatte. Man schwatzte über Nucingen, man belauerte, verurteilte, verleumdete ihn! Sein Luxus, seine vielen Unternehmungen! Wenn ein Mann so vieles will, kommt er unter die Räder! usw. Als der Lärm am stärksten war, erstaunten manche Leute nicht wenig, Briefe aus Genf, Basel, Mailand, Neapel, Genua, Marseille und London zu erhalten, in
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