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Das Haus mit der grünen Tür

Das Haus mit der grünen Tür

Titel: Das Haus mit der grünen Tür
Autoren: Gunnar Staalesen
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Scheiben Vollkornbrot, zwei mit Honig, eins mit Apfelsinenmarmelade, und eine halbe Pampelmuse: Es war kein Festmahl, aber sterben tat man auch nicht daran. Ich ging zurück in das, na ja, Wohnzimmer, schaltete das Radio gerade rechtzeitig ein, um die erste Morgenandacht zu verpassen und versuchte, mir wenigstens einen gewissen Überblick über die Situation zu verschaffen. Das war nicht so schwer. Der einzige Patzer, der Frau Moberg unterlaufen war, war der geheimnisvolle Besuch am Freitagabend. Das war keine großartige Mitteilung, aber auf der anderen Seite war es besser als nichts. Ich entschloß mich, Veide anzurufen.
    Ich duschte und zog mich an. Ich ging zum Telefon. Vielleicht würden einige es als eine Extravaganz eines bettelarmen Privatdetektivs bezeichnen, sowohl zu Hause als auch im Büro ein Telefon zu haben. Aber es gibt mir das Gefühl, weniger allein zu sein. Wenn ich will, kann ich jedenfalls die Wetteransage anrufen – oder das Fräulein Uhrzeit. Ich rief das Hotel an, in dem Veide wohnte. Er war da. »Hallo?« begann er vorsichtig.
    »Veum hier.«
    »Oh, Veum, guten Tag. Wie geht’s?«
    »Erträglich. Ich wollte Ihnen Bericht erstatten.«
    »Bitte.«
    »Nicht am Telefon.«
    Kurze Pause. »Ich verstehe. Ich habe um neun einen Termin. Können Sie, sagen wir – um halb neun hier sein?«
    »In Ordnung.«
    »Gut. Bis dann.«
    »Bis dann.«
    Das paßte gut. Dann kam ich gerade noch vor der nächsten Morgenandacht los. Eine Morgenandacht weniger verlängert das Leben, das ist eine meiner festesten Lebensregeln. Sonst habe ich nicht sehr viele.
    Das Hotel, in dem Veide wohnte, lag in einer verkommenen, kleinen Straße im Zentrum, und es war nicht dazu angetan, den Standard zu heben. Es war grau, ohne Farbanstrich und servierte ein lausiges Frühstück.
    An der Rezeption saß ein Mann mittleren Alters mit dunklen Tränensäcken und einer Frisur wie eine Billardkugel. Er trug ein blaugraues Hemd, blaue Hosenträger und eine enge braune Hose, die aussah, als könne der Bauch sie jeden Moment sprengen. Über dem Stuhlrücken hinter ihm hing eine zur Hose passende Jacke. Als ich hereinkam, sah er mit einem Blick auf, als frage er sich, ob es sich lohnte, die Jacke überzuziehen. Er ließ es sein. Auf dem Tresen vor sich hatte er einen Stapel mit selbstgeschmierten Broten. Das obere war angebissen. Er aß einen frühen Mittagsimbiß. Vielleicht war es auch ein spätes Frühstück.
    Ich blieb vor dem Rezeptionstresen stehen. Er sah mich aus wäßrigen, leeren Augen an. Ich sagte: »Veide?«
    Er grunzte eine Nummer im zweiten Stock.
    Ich sagte: »Herzlichen Dank. Und guten Appetit.«
    Er grunzte erneut etwas, unverständlich dieses Mal.
    Das Hotel war gar nicht so schäbig, es hatte sogar einen Fahrstuhl. Allerdings war der defekt. Das verkündete jedenfalls ein Schild an der Fahrstuhltür. Aber vielleicht hängten sie das Schild immer nur abends auf, damit die Leute den Fahrstuhl nachts nicht benutzten. Und hatten noch keine Lust gehabt, es wieder abzunehmen.
    Ich ging nach oben.
    Die Zimmernummern im zweiten Stock lauteten 321, 322 und 323. Und es gab eine Gemeinschaftstoilette, mit Dusche. Und eine Feuertreppe. Und einen grünlichen Teppich auf dem Boden, der dort gelegen hatte, seit das Haus gebaut worden war (nach dem Brand 1916), und den seitdem wohl kaum jemand staubgesaugt hatte.
    Veide wohnte in Nummer 323.
    Ich klopfte an. Veide öffnete. Er hatte sich nicht verändert: die gleiche hohe Stirn, die gleichen glasigen Augen, die gleiche durchschnittliche Nase. Etwas müder war sein Gesicht vielleicht, aber das war ja kein Wunder.
    Er ging mir voraus ins Zimmer, seine Hand wies nervös flatternd auf einen Stuhl und sagte: »Setzen Sie sich, Veum, setzen Sie sich.«
    Ich setzte mich und sah mich um. Es war ein Hotelzimmer wie viele andere. Der Stuhl, auf dem ich saß, war der einzige. Neben ihm stand ein kleiner, runder Tisch, groß genug, um einen Aschenbecher darauf zu stellen, aber zu klein für ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel. In einer Ecke des Raumes hingen ein Waschbecken und ein Spiegel, der einen diagonalen Sprung hatte. Weitere Ausstattung: ein Kleiderschrank, ein Bett und auf dem Boden vor dem Bett ein Flickenteppich. Wenn es nicht ein Feudel war, den die Putzfrau hier vergessen hatte bei ihrem letzten Besuch, nach der Befreiung 1945.
    Ich sagte: »Freundliche Umgebung.«
    Veide sah sich entschuldigend um. »Ich hatte keine Ahnung, wie es aussieht«, sagte er mit seiner leisen Stimme. »Ich
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