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Das Haus in den Wolken

Titel: Das Haus in den Wolken
Autoren: Judith Lennox
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herauszuschreien.
    Dann ging sie den schmalen Weg durchs Feld zurück. Als sie aufblickte, sah sie im Nebel eine Gestalt über den Hof kommen.
    Â»Theo!«, rief sie und rannte los.

    Sie hatte sich ihm in die Arme werfen wollen, doch als sie ihn erreichte, sah sie einen Ärmel seines Mantels leer herabhängen. Auf der Stirn hatte er einen mittlerweile gelb verfärbten Bluterguss.
    Erschrocken rief sie aus: »Oh, mein Gott, Theo, was ist passiert?«, und er erwiderte: »Nichts weiter, nur ein gebrochenes Schlüsselbein.«
    Auf Armeslänge voneinander entfernt, blieben sie stehen. Ihr Herz klopfte wie wild.
    Â»Hast du Schmerzen?«
    Â»Es geht, seit sie mir die Armschlinge verpasst haben. Ich hatte sowieso selbst Schuld, ich hätte mich besser festhalten sollen. Ich habe in der Zeitung gelesen, was geschehen ist. Deshalb bin ich hier. Es tut mir so leid, Ruby. Das muss schrecklich sein für dich.«
    Er hatte ihr keinen Kuss gegeben, dachte sie, nicht mal einen kleinen auf die Wange. Ein dumpfer Schmerz überfiel sie und verstärkte die Qualen der letzten Tage.
    Auf dem Weg in die Küche erzählte er ihr von der Jagd der Korvette auf das U -Boot und dem folgenden Feuerwechsel. In der Küche bot sie ihm etwas zu essen und zu trinken an.
    Â»Wo ist Hannah?«, fragte er.
    Â»Im Krankenhaus, sie hat sich noch nicht von ihrer Blinddarmoperation erholt.«
    Â»Herrgott. Das arme Mädchen. Weiß sie von alldem hier?«
    Ruby erklärte ihm, wie sie von Josiah Quinns Verschwinden erfahren, wie sie die schwerkranke Hannah gefunden und schließlich den Soldatenmantel ihres Vaters in Maudes Schrank entdeckt hatte.
    Â»Hannah hat mir erzählt, dass sie gehört hat, wie mein Vater und Tante Maude sich angeschrien haben. Und einen Gewehrschuss hat sie auch gehört.«
    Â»Und sie hat keinem davon erzählt?«
    Â»Nein, natürlich nicht.«
    Als er sie nur schweigend ansah, konnte sie sich nicht zurückhalten. »Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle, oder? Aber nein, wie denn auch? Du hast dich vermutlich noch kein einziges Mal in deinem Leben geschämt für das, was du bist – dafür, wer du bist!«
    Â»Ruby«, sagte er, und ihr Wutanfall legte sich wieder.
    Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und sagte müde: »Entschuldige, es ist nicht deine Schuld. Ich sollte nicht dich anschreien, noch dazu, wo du verwundet bist.«
    Theo stand auf. Und jetzt endlich legte er den Arm um sie. »Scht«, murmelte er. »Du kannst zu mir sagen, was du willst, das weißt du doch.«
    Sie drückte ihre Wange an seinen kratzigen Wollpullover und atmete zitternd ein. » Alle werden es erfahren, Theo! Nicht nur deine Familie, sondern auch meine Freunde, meine Kollegen in der Arbeit – alle! Sogar Leute, die ich gar nicht kenne! Das ist entsetzlich.«
    Â»Sie werden sich eine Weile dafür interessieren, und dann vergessen sie es wieder.«
    Â»Nein.« Ruby machte sich von ihm los und trocknete sich die Augen. »Sogar die Leute im Dorfladen in Manea – ich sehe doch, wie mich alle anstarren.«
    Â»Wir sind mitten im Krieg, Ruby. Es gibt so viel Angst und Schrecken auf der Welt, die Leute werden bald etwas anderes finden.«
    Sie verschränkte die Arme. »Außerdem vermisse ich ihn«, flüsterte sie. »Ich muss dauernd an ihn denken und daran, wie er war. Ich hasse Tante Maude für das, was sie getan hat. Ich hasse sie dafür, dass sie ihn mir weggenommen hat.«
    Â»Aber er hat dich nicht aus freien Stücken verlassen«, sagte Theo sanft. »Das weißt du jetzt. Ist das nicht auch ein gewisser Trost?«
    Â»Doch, natürlich. Das sage ich mir ja auch immer wieder. Und –«
    Sie hielt inne, erschrocken, weil sie kurz davor stand, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Aber jetzt war es doch auch schon egal, dachte sie wütend, wieso sich zurückhalten? Noch gedemütigter und elender als im Augenblick konnte sie sich ohnehin nicht fühlen, oder?
    Â»Und – was?«, griff Theo ihre Worte auf.
    Â»Wenn Richard mich damals nicht mit zu sich nach Hause genommen hätte, hätte ich nie erfahren, was Liebe ist. Ich meine, echte Liebe.«
    Sein Zorn überraschte sie. »Herrgott noch mal, Ruby, wird es nicht langsam Zeit, dass du das hinter dir lässt? Philip ist ein glücklich verheirateter Mann mit einer Ehefrau und zwei Kindern, die ihn
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