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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes
Autoren: Louise Erdrich
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so stürmisch, dass sie auf keinen Fall noch ein Kind wollte. Enkel gab es keine ( noch nicht, Gott sei Dank, sagte Sonja). Ich war, wie gesagt, ein spätgeborenes Kind, dessen Eltern oft für seine Großeltern gehalten wurden. Dazu kam noch, dass weder meine Mutter noch mein Vater mit mir gerechnet hatten und meine Geburt große Erwartungen weckte. Alles hing an mir, im Guten wie im Schlechten. Eine der guten Seiten, die ich sehr zu schätzen wusste, war die Nähe zu Sonjas Brüsten.
    Solange sie mich im Arm hielt, konnte ich mich an diese Brüste pressen. Ich achtete darauf, mein Glück nicht überzustrapazieren, sosehr es mich auch in den Fingern juckte. Voll, zart, kräftig und rund waren sie – Brüste, die einem das Herz brechen konnten. Sonja trug sie unter pastellfarbenen, tief ausgeschnittenen T-Shirts vor sich her. Ihre Taille war noch straff, und die Hüften rundeten sich sanft unter engen Stonewashed-Jeans. Sonja rieb sich die Haut mit Babyöl ein, aber sie röstete sich konsequent in der Sonne, und ihre süße Stupsnase hatte Brandnarben davongetragen. Sie liebte Pferde, und sie und Whitey hielteneinen schäbigen alten Schecken, eine aparte Mischung aus Quarter und Araber, einen einäugigen, stichelhaarigen Appaloosa namens Spook und ein Pony. Deshalb roch sie außer nach Whiskey, Parfüm und Rauch manchmal auch nach Heu, Staub und Pferden, einem Duft, den man, wenn man ihn einmal gerochen hat, sein Leben lang vermisst. Menschen sind dafür geschaffen, mit Pferden zusammen zu sein. Hunde hatten Sonja und Whitey auch, drei große, bösartige Weibchen, die alle auf die eine oder andere Weise nach Janis Joplin benannt waren.
    Unser Hund war zwei Monate davor gestorben, und wir hatten noch keinen neuen. Ich öffnete meinen Rucksack, und Sonja packte mir die Milch und die anderen Sachen ein, die ich ausgesucht hatte. Sie lehnte meine fünf Dollar ab und sah mich unter ihren feinen, hellbraunen gezupften Brauen lange an. Tränen stiegen ihr in die Augen. Shit, sagte sie. Wenn ich den Kerl in die Finger kriege, ist er dran.
    Ich wusste nicht, wie ich antworten sollte. Sonjas Brüste vertrieben so ziemlich jeden sinnvollen Gedanken.
    Wie geht’s deiner Mom?, fragte sie, schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen von den Wangen.
    Ich versuchte mich zu konzentrieren. Meiner Mutter ging es nicht gut, also konnte ich nicht antworten danke, gut . Ich konnte Sonja auch nicht erzählen, dass ich gedacht hatte, meine Mutter sei tot, dass ich zu ihr gerannt war und sie mich zum ersten Mal in meinem Leben geschlagen hatte. Sonja steckte sich eine Zigarette an und gab mir einen Black-Jack-Kaugummi.
    Nicht so gut, sagte ich. Sie ist schreckhaft.
    Sonja nickte. Wir bringen Pearl vorbei.
    Pearl war ein schlaksiger, langbeiniger Mischling mit dem breiten Schädel und den Schraubstockkiefern eines Bullterriers. Sie hatte die Farben eines Dobermanns, dichtes Fell wie ein Schäferhund und einen wölfischen Einschlag. Pearl bellte nicht oft, aber wenn doch, dann regte sie sich richtig auf. Sie lief auf undab und schnappte in die Luft, wenn jemand ihre unsichtbaren Reviergrenzen übertrat. Pearl war kein Familienhund, und ich wollte sie nicht haben, aber mein Vater wollte es.
    Sie ist zu alt, um apportieren zu lernen und so was, beschwerte ich mich, als er an dem Abend nach Hause kam.
    Wir saßen unten und aßen wieder aufgewärmten Auflauf von Clemence. Mein Vater hatte sich seine übliche Kanne schwachen Kaffee gekocht, den er wie Wasser hinunterkippte. Meine Mutter war oben im Schlafzimmer; sie hatte keinen Hunger. Mein Vater legte die Gabel weg. So wie er das tat (er aß nämlich gern und unterbrach sich nur ausnahmsweise dabei; allerdings hatte er neuerdings weniger Appetit), dachte ich, er sei sauer auf mich. Seine Gesten wirkten in letzter Zeit abgehackt, und er ballte oft die Fäuste, aber er schimpfte nicht mit mir. Er sprach ganz ruhig und vernünftig und erklärte mir die Sache mit Pearl.
    Joe, wir brauchen einen Wachhund. Es gibt da einen Mann, den wir verdächtigen. Aber er ist untergetaucht. Er könnte also überall sei. Oder er war es gar nicht, aber dann könnte der wahre Täter trotzdem irgendwo in der Nähe sein.
    Ich versuchte eine Frage zu stellen wie die Polizisten aus den Fernsehfilmen.
    Welche Beweise gibt es denn, dass dieser Typ es getan hat?
    Mein Vater hätte am liebsten nicht geantwortet, das sah ich ihm an. Aber er tat es doch. Mit einigen Wörtern hatte er Schwierigkeiten.
    Der Täter oder
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