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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes
Autoren: Louise Erdrich
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der Verdächtige … der Angreifer … hat ein Streichholzheftchen fallen lassen. Das Heftchen war vom Golfplatz, da liegen sie auf dem Tresen aus.
    Also nehmen sie sich zuerst die Golfer vor, sagte ich. Das bedeutete, dass der Angreifer indianisch oder weiß sein konnte. Den Golfplatz mochten alle, es war eine richtige Modewelle. Golf war eigentlich für reiche Leute, aber wir hatten diesen Platz mit dem zottigen Rasen und den natürlichen Wasserlöchern. Mit einem niedrigen Einstiegstarif. Die Leute liehen sich gegenseitigSchläger, und fast jeder hatte es schon ausprobiert – jeder außer meinem Dad.
    Ja, die Golfspieler.
    Warum hat er die Streichhölzer fallen lassen?
    Mein Vater rieb sich die Augen und hatte wieder Schwierigkeiten mit dem Sprechen.
    Er wollte – er hat – er hatte Schwierigkeiten, eins anzuzünden.
    Ein Streichholz?
    Ja.
    Und hat er es geschafft?
    Nein … das Streichholz war nass.
    Und was war dann?
    Plötzlich brannten meine Augen, und ich senkte den Kopf über den Teller.
    Mein Vater nahm die Gabel wieder auf. Schnell schaufelte er sich Clemences berühmte Makkaroni mit Tomaten-Hackfleisch-Soße in den Mund. Dann sah er, dass ich reglos wartete, und lehnte sich zurück. Er trank seinen dicken weißen Lieblingsbecher leer. Er nahm eine Serviette, tupfte sich den Mund ab, schloss die Augen, öffnete sie und sah mich an.
    Also gut, Joe. Du stellst eine Menge Fragen. Du versuchst die Ereignisse zu ordnen. Das Ganze zu durchdenken. Das tue ich auch. Joe, der Täter konnte das Streichholz nicht anzünden. Er ist losgegangen, um neue Streichhölzer aufzutreiben. Oder anderes Feuer. Während er weg war, hat deine Mutter es geschafft zu fliehen.
    Wie denn?
    Zum ersten Mal, seit wir an dem Sonntag davor die Bäume ausgejätet hatten, lächelte mein Vater, oder zumindest war es so etwas Ähnliches wie ein Lächeln. Im Nachhinein würde ich sagen, er lächelte so ähnlich wie Mooshum, wenn er sich an längst vergangene Zeiten erinnerte.
    Weißt du noch, Joe, wie ich mich immer aufgeregt habe, wenndeine Mutter sich aus dem Auto ausgesperrt hatte? Sie hatte … sie hat diese Angewohnheit, die Autoschlüssel auf dem Armaturenbrett liegen zu lassen. Wenn sie das Auto abgestellt hat, sammelt sie immer ihre Sachen vom Beifahrersitz zusammen, legt die Schlüssel auf das Armaturenbrett, steigt aus und drückt den Knopf runter. Die Schlüssel fallen ihr erst wieder ein, wenn sie nach Hause will. Dann kramt sie in ihrer Handtasche und kann sie nicht finden. Nein, sagt sie, nicht schon wieder! Sie geht raus, sieht ihre Schlüssel im abgeschlossenen Auto und ruft mich an. Weißt du noch?
    Ja, klar. Fast hätte ich auch gelächelt, als er ihre Angewohnheit beschrieb und das ganze Ritual, das wir jedes Mal durchexerzierten. Klar, Dad. Sie ruft dich an, du benutzt dieses milde Schimpfwort, und dann holst du die Ersatzschlüssel und machst einen langen Spaziergang zum Büro.
    Mildes Schimpfwort. Wo hast du das denn her?
    Keine Ahnung, verdammt.
    Er lächelte noch einmal, streckte den Arm nach mir aus und knuffte mir mit der Faust gegen den Unterkiefer.
    Es macht mir eigentlich nichts aus, sagte er. Aber irgendwann fiel mir ein, dass deine Mom wirklich in der Patsche sitzen würde, wenn ich mal nicht zu Hause wäre. Wir sind nicht viel unterwegs. Unser Alltag ist ziemlich eintönig. Aber wenn ich doch mal nicht da wäre, oder du wärst nicht da, um ihr die Schlüssel zu bringen.
    Das ist aber noch nie passiert.
    Nein, aber du hättest ja mal draußen sein können, wo du das Telefon nicht hörst. Ich dachte eben: Was ist, wenn sie wirklich mal irgendwo festsitzt? Deshalb habe ich vor zwei Monaten eine von diesen Dosen genommen, in denen Whitey Minzbonbons verkauft, und einen Magneten drangeklebt. Das habe ich bei jemand anderem schon als Schlüsselhalter gesehen. Ich habe die Zweitschlüssel da reingetan und sie über dem linken Hinterrad innen an die Karosserie gehängt. So ist sie entwischt.
    Was?, fragte ich. Wie?
    Sie hat es geschafft, unter das Auto zu greifen und den Schlüssel zu holen. Er ist auf sie los. Sie hat sich eingeschlossen, hat das Auto gestartet und ist weggefahren.
    Ich holte tief Luft. Bevor ich es verhindern konnte, überrollte mich ein Gefühl der Angst, dass mir die Knie weich wurden.
    Mein Vater fing wieder an zu essen, und diesmal war er entschlossen, es zu Ende zu bringen. Das Thema war damit abgeschlossen. Ich kam wieder auf den Hund zurück.
    Pearl ist bissig, sagte ich.
    Gut so,
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