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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Autoren: Ava Bennett
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wirkt. Vater sagt immer, das solle die Unendlichkeit der Welt symbolisieren. Doch gerade vor ein paar Wochen hat Vater uns bei Tisch gestanden, dass uns nun nur noch die Hälfte des Gartens gehört. Und ausgerechnet den Teil mit dem Wasserfall und der Spiegelgrotte hat er verkauft. Und nur, weil der reiche Kaufmann Pit Hensen, der unlängst das angrenzende Gelände erworben und Clausens Haus in einen Protzbau verwandelt hat, Vaters Notlage ausgenutzt und ihm viel Geld für unseren Garten geboten hat. Es wundert mich, dass der Mann sich nicht gleich ein Schloss errichtet hat. Welches Haus braucht denn schon zehn Türme? Vater flucht nun den ganzen Tag offen auf den neuen Nachbarn, denn eigentlich hatte er Senator Clausens Haus nach dessen Tod noch dazukaufen wollen. Jetzt hockt dieser Geldsack unter meinem Wasserfall, schimpft er den ganzen Tag. Allein deshalb hasse ich diesen Kerl. Weil er Vater unglücklich macht! Doch daran kann ich natürlich ermessen, wie schlecht es um Vaters Finanzen bestellt sein muss. Dass er von dem so verhassten Menschen Geld angenommen hat.
    Und dann kam vorige Woche auch noch die Nachricht vom Untergang der Brigg Else von Flensburg, Vaters bestem Schiff, mithilfe dessen er wie so viele andere Reeder nicht nur die Waren der anderen transportieren, sondern endlich auch seine eigenen Waren verkaufen und den Profit des Handels selbst einstreichen wollte. Ich musste den Salon verlassen, als der Kapitän der Condor Vater die traurige Botschaft überbrachte, aber unser Mädchen Anna hat den Herren einen Grog serviert und jedes Wort brühwarm an mich weitergegeben.
    Die Condor war in der Nähe gewesen, als das Unglück geschah und hatte die vierzehn Mann Besatzung retten können. Auch meinen Schwager Heinrich Andresen, den Kapitän der »Else«, aber der lag nun mit einer Kopfverletzung danieder und hatte Vater die Nachricht nicht selbst beibringen können. Ich war daraufhin umgehend zu Lenes Haus am Holm gerannt, aber dort habe ich es nicht lange ausgehalten. Lene hat nur geweint, obwohl Heinrich wieder ganz munter ist. Heinrich hat nach seiner Genesung verraten, dass Vater alles auf eine Karte gesetzt und verloren hat. Es sei ja nicht nur der Verlust des Schiffes, der ihn schmerze, sondern er habe all sein Vermögen für die Ladung ausgegeben, unter anderem für Lebensmittel und gelbe Ziegel. Das Schiff ist voll beladen im Atlantik havariert.
    Ich bin recht nachdenklich nach Hause zurückgekehrt und habe Vater auf das Elend ansprechen wollen, aber er hat nur in einem fort gemurmelt: »Ich bin ruiniert! Ich bin ruiniert!«
    Aber selbst, wenn ich in Zukunft keine schönen Kleider mehr bekommen werde, der Kummer meines Vaters kann mich nicht gänzlich von meiner rosaroten Wolke holen, denn ich bin verliebt. Und was gibt es Schöneres? Ich muss arg aufpassen, dass ich nicht singend durch das Haus schwebe, während Vater am Boden zerstört ist. Denn ich kann gar nicht anders, als an ihn zu denken, und dann werde ich so glücklich, dass ich singen und tanzen muss.
    Ich bin mir ganz sicher, dass ich ihn heiraten werde, auch wenn er bei Vater noch nicht um meine Hand angehalten hat. Ich werde nie vergessen, wie ich ihn das erste Mal sah. Auf dem Hochzeitsball meiner Freundin Nele. Er war in Begleitung eines unverschämten Kerls, der mich gegen meinen Willen zum Tanzen zwingen wollte, obwohl ich ihm einen Korb gegeben hatte. Kein Wunder, der ungehobelte Geselle ist der Neffe unseres neuen Nachbarn. Wie der Herr so’s Gescherr , wie unsere Küchenhilfe immer zu sagen pflegt. Er sieht nicht übel aus, dieser Christian Hensen, aber er hat ein unmögliches Betragen. Man munkelt, er habe in Saint Croix, wo er aufgewachsen ist, die Sklaven beaufsichtigt. Ach, ich möchte es gar nicht näher wissen. Er hat jedenfalls stechende Augen und einen bösen Blick. So, als würde ihm die Welt gehören. Ich erwähne ihn nur deshalb, weil sein Freund mich vor seinen Grobheiten gerettet hat. Er hat diesem Christian gesagt, dass man hier mit den Damen nicht so umgehen dürfe, und dann hat er mir den Arm gereicht. Als ich mit ihm zum Tanz gegangen bin, habe ich Christian noch einen flüchtigen Blick zugeworfen. Er hat mich angesehen, als wolle er mich umbringen und seinen Freund gleich mit.
    Aber der Tanz hat mich alles vergessen lassen. Ich hatte nur Augen für meinen Retter. Er ist einen halben Kopf größer als ich, und seine Augen sind so blau und klar wie die Ostsee an einem heißen Sommertag, wenn kein Lüftchen
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