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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne
Autoren: Agatha Christie
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mal zuhause bin, geht meist eine ausgelassene Bande bei mir ein und aus.»
    «Das ist mir zu modern. Vor meinem geistigen Auge sah ich Sie, mutterseelenallein, vom Familienfluch gepeinigt in einem dunklen, geheimnisvollen Herrenhaus sitzen.»
    «Wie herrlich! Sie haben eine äußerst lebhafte Fantasie. Nein, es spukt nicht in End House. Oder wenn doch, dann muss es sich um einen wohlwollenden Geist handeln. In den letzten drei Tagen bin ich nämlich dreimal knapp dem Tod entronnen. Da muss ein mächtiger Schutzengel seine Hand im Spiel haben.»
    Poirot setzte sich voller Aufmerksamkeit auf.
    «Dem Tod entronnen? Das klingt interessant, Mademoiselle.»
    «Oh! Nichts Aufregendes. Lauter Unglücksfälle, wissen Sie.» Sie zuckte zurück, als eine Wespe an ihr vorbei flog. «Verwünschte Wespen! Hier muss irgendwo ein Nest sein.»
    «Die Bienen und die Wespen sind nicht Ihr Fall, nicht wahr, Mademoiselle? Sie sind schon öfter gestochen worden – ja?»
    «Nein, das nicht – aber ich verabscheue es, wie sie einem direkt vor dem Gesicht herumfliegen.»
    «Bienen unterm Hütchen – Flausen im Kopf», sagte Poirot. «Ihr altes englisches Sprichwort.»
    Da wurden die Cocktails serviert. Wir erhoben unsere Gläser und tauschten die üblichen nichts sagenden Artigkeiten aus.
    «Eigentlich erwartet man mich zur Cocktailstunde im Hotel», sagte Miss Buckley. «Wahrscheinlich wundern sie sich bereits, wo ich stecke.»
    Poirot räusperte sich und stellte sein Glas ab.
    «Ah, ein Königreich für eine schöne Tasse dicke Schokolade», murmelte er. «Aber in England gibt es so etwas nicht. Und doch gibt es hier ein paar ganz nette Sachen. Die jungen Mädchen, zum Beispiel, wie sie ihre Hüte auf- und absetzen – so graziös und mit leichter Hand…»
    Das Mädchen starrte ihn verwundert an.
    «Was meinen Sie damit? Warum sollten sie das nicht tun?»
    «Das fragen Sie nur, weil Sie jung sind – blutjung, Mademoiselle. Ich hingegen bin den Anblick hochgetürmter und steifer Frisuren gewohnt. Auf denen dann, mit unzähligen Nadeln befestigt – là – là – là et là – der Hut thront.»
    Er vollführte in der Luft vier grimmige Fechtstöße.
    «Wie furchtbar unbequem!»
    «Ah! Und ob!», sagte Poirot mit mehr Empfindsamkeit als jede noch so gepeinigte Hutträgerin. «Bei Wind wurde es zur Qual – man bekam Migräne.»
    Miss Buckley nahm ihren einfachen, breitkrempigen Filzhut ab und warf ihn nachlässig neben sich.
    «Und heutzutage machen wir es einfach so», sagte sie lachend.
    «Was vernünftig und bezaubernd zugleich ist», sagte Poirot mit einer leichten Verbeugung.
    Ich betrachtete sie mit Neugier. Ihr dunkles, zerzaustes Haar unterstrich das Koboldhafte ihrer gesamten Erscheinung. Dazu passte das kleine, lebhafte, herzförmige Gesicht ebenso wie die riesigen dunkelblauen Augen und noch etwas – etwas Magisches und Magnetisches. Oder vielleicht eine Spur von Rücksichtslosigkeit? Unter den Augen lagen dunkle Schatten.
    Unsere Terrasse war wenig besucht. Die Hauptterrasse, auf der sich die meisten Leute aufhielten, befand sich genau um die Ecke an einer Stelle, wo die Klippe direkt ins Meer hinabfällt. Um eben diese Ecke bog nun ein Mann mit sonnenverbranntem Gesicht. Er hatte einen breitbeinigen Gang, und um ihn herum war ein Hauch von Salzwasser und Unbekümmertheit – mit einem Wort ein echter Sohn des Meeres.
    «Ich hab keine Ahnung, wo das Mädel steckt», sagte er und seine Stimme drang mühelos bis zu uns. «Nick – Nick.»
    Miss Buckley stand auf.
    «Ich wusste ja, sie würden Theater machen. Bravo, mein Junge! George – hier bin ich.»
    «Freddie lechzt nach einem Drink. Komm, Mädchen, gehen wir.»
    Mit unverhohlener Neugier musterte er Poirot, der sich sicherlich vom Großteil der Freunde Nicks deutlich abhob.
    Das Mädchen übernahm die Vorstellung mit einer vagen Geste.
    «Commander Challenger – und – äh…»
    Doch zu meiner Überraschung nannte Poirot nicht, wie erwartet, seinen Namen, sondern erhob sich stattdessen, verbeugte sich sehr förmlich und murmelte: «Von der englischen Marine. Ich hege die größte Wertschätzung für die englische Flotte.»
    Diese Art Bemerkung nimmt ein Engländer nicht gerade mit großem Wohlwollen auf und Commander Challengers Gesicht nahm eine noch dunklere Rottönung an. Nick Buckley rettete schließlich die Situation.
    «Komm schon, George. Halt nicht Maulaffen feil. Wir gehen zu Freddie und Jim.»
    Sie schenkte Poirot ein Lächeln.
    «Danke für den Cocktail.
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