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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne
Autoren: Agatha Christie
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Meerblick zu sitzen – eh bien, also sitzen auch alle dort. Nur ich, der ich ein Individualist bin, ich sitze auf der Terrasse mit Gartenblick. Und auch da bemerkte ich nichts. Wie Sie vielleicht sehen können, gibt es genügend Deckung – Bäume, Palmen, blühende Sträucher. Jeder könnte ohne weiteres Mademoiselle auflauern. Und sie würde sicher diesen Weg entlang kommen. Von der Villa über die Landstraße würde es viel länger dauern. Mademoiselle Nick Buckley wird daher immer die Abkürzung wählen.»
    «Und dennoch war es ein enormes Risiko. Man hätte ihn ja doch sehen können – und dann wäre es ihm unmöglich gewesen, die Schießerei als Zufall zu kaschieren.»
    «Nicht als Zufall – das nicht.»
    «Wie meinen Sie das?»
    «Nichts – nur eine kleine Idee. Sie mag funktionieren oder auch nicht. Lassen wir das jetzt mal außer Acht und wenden wir uns der eben erwähnten, notwendigen Bedingung zu.»
    «Und zwar welcher?»
    «Das können Sie mir doch sicher sagen, Hastings.»
    «Nichts läge mir ferner als Sie des Vergnügens zu berauben, sich auf meine Kosten schlau zu fühlen!»
    «Oh! Dieser Sarkasmus! Diese Ironie! Nun, eine Tatsache ist doch überdeutlich: Das Motiv darf nicht auf der Hand liegen. Wenn dem so wäre – dann wäre das Risiko allerdings zu groß! Die Leute würden reden: ‹Wer weiß, ob es Soundso war? Wo war Soundso, als der Schuss abgefeuert wurde?› Nein, die Person des Mörders – besser gesagt, des Möchtegernmörders – darf nicht eindeutig sein. Und das, Hastings ist der Grund für meine Furcht. Jawohl, in diesem Augenblick habe ich Angst. Ich mache mir Mut. Ich sage mir: ‹Sie sind zu viert.› Ich sage mir: ‹Es wäre Wahnsinn.› Und dennoch habe ich Angst. Diese ‹Unfälle› – ich möchte mehr darüber hören!»
    Er drehte sich abrupt um.
    «Es ist noch früh. Gehen wir den Weg über die Landstraße. Den Garten kennen wir bereits. Nehmen wir doch einmal den normalen Weg dorthin unter die Lupe.»
    Dieser führte uns vom Haupteingang des Hotels rechts einen steilen Hügel hinauf. Der Weg endete in einem schmalen Pfad mit einem Schild: «Nach End House. Sackgasse.»
    Wir folgten dem Pfad und nach ein paar hundert Metern machte er eine plötzliche Biegung und endete an einem morschen Eingangstor, dem vor allem ein wenig Farbe gut getan hätte.
    Rechts davon gab es ein kleines Pförtnerhaus, das in auffallendem Kontrast zu dem Tor und dem Zustand des grasbewachsenen Fahrwegs stand. Ein kleiner Garten war tipptopp gepflegt. Blütenweiße Vorhänge hingen an den Fenstern, die Rahmen und Läden waren frisch gestrichen.
    Ein Mann in einer ausgeblichenen Norfolk-Jacke arbeitete über ein Blumenbeet gebeugt. Als das Tor quietschte, richtete er sich auf und drehte sich in unsere Richtung. Er war um die sechzig Jahre alt, mindestens einen Meter achtzig groß, massig und hatte ein wettergegerbtes Gesicht. Er war beinahe völlig kahl. Seine Augen leuchteten und funkelten in einem lebhaften Blau. Er schien ein angenehmer Zeitgenosse zu sein.
    «Guten Abend», wünschte er, als wir vorbeigingen.
    Ich erwiderte seinen Gruß und als wir die Auffahrt entlanggingen, konnte ich förmlich spüren, wie uns diese blauen Augen neugierig nachstarrten.
    «Ich wüsste zu gerne», sagte Poirot nachdenklich.
    Dabei beließ er es, ohne sich zu irgendwelchen Erklärungen herabzulassen, was er denn gerne wüsste.
    End House war ein großes Haus und wirkte ziemlich düster. Die Bäume, deren Äste teilweise bis zum Dach reichten, schlossen es fast völlig ein. Ganz eindeutig war es reparaturbedürftig. Poirot bedachte es mit einem anerkennenden Blick, bevor er die Glocke betätigte – eine dieser altmodischen Glocken, für die man die Kräfte eines Herkules benötigte und die, einmal in Gang gesetzt, in vorwurfsvollem Ton immer weiterläutete.
    Die Tür wurde von einer Frau mittleren Alters geöffnet – eine respektable Frau in Schwarz – so würde ich sie beschreiben. Sie wirkte sehr ehrbar, ein wenig kummervoll und völlig gleichgültig.
    Miss Buckley, so sagte sie, sei noch nicht zuhause. Poirot erklärte ihr, dass wir eine Verabredung hätten. Sie war einer der Menschen, die Fremden gegenüber zu Misstrauen neigen, weshalb es für ihn nicht leicht war. Ohne mir irgendwie schmeicheln zu wollen, nehme ich an, dass wohl eher meine Wenigkeit ihre Entscheidung positiv beeinflusste. Jedenfalls wurden wir weitergebeten und in das Empfangszimmer geführt, wo wir auf Miss Buckley warten
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