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Das Haus an der Düne

Das Haus an der Düne

Titel: Das Haus an der Düne
Autoren: Agatha Christie
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durchfuhr mich ein Gedanke und ich musste lächeln.
    «Ich frage mich», sagte ich, «ob Sie keine Angst haben. Eine derart entschiedene Erklärung bedeutet doch gewissermaßen, die Götter herauszufordern.»
    «Es ist unmöglich», erwiderte er, «die Entscheidung eines Hercule Poirot ins Wanken zu bringen.»
    «Unmöglich, Poirot?»
    «Da haben Sie auch wieder Recht, mon ami. Nichts ist unmöglich. Eh, ma foi, ich will nicht behaupten, dass eine Kugel, die hinter mir in die Wand einschlägt, keine Nachforschungen meinerseits auslösen würde. Schließlich bin ich auch nur ein Mensch.»
    Ich musste lächeln. Ein kleiner Kieselstein war gerade neben uns auf der Terrasse aufgeschlagen und Poirots anschaulicher Vergleich regte meine Fantasie an. Nun bückte er sich und hob den Kiesel auf, während er fortfuhr.
    «Ja, man ist auch nur ein Mensch. Alles ist gut und schön, man ist wie der schlafende Hund in Ihrem Sprichwort, den man allerdings lieber nicht wecken sollte.»
    «In der Tat», fuhr ich fort, «sollten Sie eines Morgens einen Dolch neben Ihrem Kopfkissen finden, dann sei Gott dem Übeltäter gnädig.»
    Er nickte ziemlich geistesabwesend.
    Unvermittelt und zu meiner Überraschung erhob er sich und ging die wenigen Stufen zum Garten hinunter. Zur gleichen Zeit erschien auf der Bildfläche ein junges Mädchen, das sich rasch in unsere Richtung bewegte.
    Ich hatte eben den Eindruck gewonnen, dass es sich um ein ausgesprochen hübsches Mädchen handelte, als meine Aufmerksamkeit auf Poirot gelenkt wurde, der aus Unachtsamkeit über eine Wurzel gestolpert und gestürzt war. Dabei landete er genau vor den Füßen des Mädchens, und sie und ich halfen ihm gemeinsam wieder auf die Beine. Natürlich galt das Hauptaugenmerk meinem kleinen Freund, aber dennoch entgingen meiner Aufmerksamkeit weder das von dunklem Haar umrahmte, schelmische Gesicht noch die großen, veilchenblauen Augen.
    «Tausendmal Vergebung», stammelte Poirot. «Mademoiselle sind zu freundlich. Ich bedauere unendlich – autsch! – mein Fuß, oh, er peinigt mich sehr. Nein, nein, nichts Ernstes – nur ein verstauchter Knöchel. In ein paar Minuten ist alles wieder gut. Wenn Sie mir allerdings helfen wollten. Hastings – Sie und Mademoiselle könnten mich in die Mitte nehmen, wenn Mademoiselle die Güte hätte. Es ist mir peinlich, Sie darum zu bitten.»
    Ich zu seiner Rechten und das Mädchen zur Linken, verfrachteten wir Poirot rasch in einen Stuhl auf der Terrasse. Mein Vorschlag, einen Arzt kommen zu lassen, stieß bei meinem Freund auf schärfste Ablehnung.
    «Ich versichere Ihnen, es ist nichts. Nur ein verstauchter Knöchel. Im Moment zwar schmerzhaft, doch bald vorbei.» Er zog eine Grimasse. «Sehen Sie, in einer petite Minute ist alles vergessen. Mademoiselle, ich danke Ihnen tausendmal. Sie sind sehr freundlich. Setzen Sie sich doch, ich flehe Sie an.»
    Das Mädchen zog sich einen Stuhl heran.
    «Nicht der Rede wert», sagte sie. «Aber ich finde auch, Sie sollten Ihren Knöchel untersuchen lassen.»
    «Mademoiselle, ich versichere Ihnen, es ist nur eine Bagatelle. Ihre angenehme Gesellschaft ist die beste Kur.»
    Das Mädchen lachte.
    «Das haben Sie schön gesagt.»
    «Wie wäre es mit einem Cocktail?», schlug ich vor. «Genau der richtige Zeitpunkt.»
    «Nun ja…» Sie zögerte. «Vielen Dank.»
    «Einen Martini?»
    «Ja, bitte – einen trockenen.»
    Ich ging los, um die Drinks zu bestellen. Bei meiner Rückkehr fand ich Poirot und das Mädchen in angeregter Unterhaltung.
    «Denken Sie nur, Hastings», sagte er, «das Haus dort an der Landzunge – Sie wissen schon welches –, das wir so bewundert haben, es gehört Mademoiselle hier.»
    «Tatsächlich?», sagte ich, obwohl ich mir keinerlei derartiger Bewunderung bewusst war. Im Grunde hatte ich das Haus überhaupt nicht wahrgenommen. «Es wirkt unheimlich und imposant zugleich, wie es dort so ganz isoliert steht.»
    «Es heißt End House», sagte das Mädchen. «Ich hänge sehr daran, aber es ist alt und baufällig. Es wird wohl bald zusammenfallen und dann ist es dahin.»
    «Sie sind der letzte Spross eines alten Geschlechts, Mademoiselle?»
    «Oh, so bedeutend sind wir nicht. Allerdings gibt es die Buckleys in dieser Gegend schon seit zwei- oder dreihundert Jahren. Mein Bruder verstarb vor drei Jahren, ja eigentlich könnte man sagen, ich bin der letzte Spross der Familie.»
    «Das ist aber traurig. Leben Sie allein, Mademoiselle?»
    «Oh! Ich bin viel unterwegs und wenn ich
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