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das gutenberg-komplott

das gutenberg-komplott

Titel: das gutenberg-komplott
Autoren: born
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beziehungsweise die Blutgerichtsba r keit liegt in meinen Händen«, erklärte Erbach. »Eure Stelle u n tersteht mir, nicht dem Stadtrat. Die Kompetenzen der städt i schen Richter beschränken sich auf Bagatellfälle. Als es galt, Eure Stelle neu zu besetzen, wollte sich der Stadtrat einmischen und die Blutgerichtsbarkeit an sich ziehen. Steininger hat schnell gehandelt, indem er Euch die Stelle gab und damit den Stadtrat düpiert!«
    Davon hatte Steininger kein Wort erwähnt. Das flaue Gefühl in Thomas’ Magengrube verwandelte sich zunehmend in ein Stechen. Ihm wurde plötzlich die überstürzte Eile klar, mit der er die Stelle antreten musste, und er verstand nun Steiningers Schweigen. Der Freund seines Vaters hatte ihm einen Bäre n dienst erwiesen. Nicht nur, dass Konflikte mit dem Bischof a b sehbar waren: Thomas würde den gesamten Stadtrat gegen sich haben. Das heißt, er hatte ihn schon gegen sich, obwohl sie ihn noch gar nicht kannten.
    »Es war bisher üblich«, setzte der Kurfürst seine kleine Rede fort, »dass mich der oberste Gewaltrichter bei allen Fällen, die von Belang sind, konsultiert. Ihr braucht nicht wegen Klei n kram zu kommen. Aber wenn etwas auf dem Spiel steht«, und hierbei schaute er Thomas wieder eindringlich an, »denkt an den obersten Rechtssatz dieser Stadt: Das Gesetz bin ich!« D a bei tippte er sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand g e gen die Brust.
    Thomas’ spontaner Impuls war, sich auf den Rückweg nach Köln zu machen. Seine Assistentenstelle am dortigen Gericht war noch nicht neu besetzt. Wie sollte er mit einem Mann z u sammenarbeiten, der so redete, wie Thomas sich einen selbs t herrlichen römischen Imperator vorstellte? Der nächste Geda n ke galt seiner Karriere. Wenn er kampflos das Feld räumte, war er erledigt. Nur ein Wahnsinniger konnte eine Mainzer Richte r stelle ablehnen. Auch in Köln, bei seinen alten Kollegen, würde er kein Verständnis finden, und noch weniger bei seinem Vater. Aber selbst wenn er die Meinung anderer Leute außer Acht ließ und nur auf sich hörte, wäre es ihm wie Feigheit oder Flucht vorgekommen, den Rückzug anzutreten.
    Thomas nahm nur am Rande wahr, wie Steininger väterlich den Arm um seine Schulter legte. »Wenn du seinen Rat b e folgst, steht dir eine glänzende Zukunft bevor!«
    Thomas traute seinen Ohren nicht: Von was für einer glä n zenden Zukunft redete dieser Mann? Er saß auf einem Pulve r fass ! Es war nur eine Frage der Zeit, wann es in die Luft flog …

2.
     
    J
    etzt stellen wir dich dem Kommandanten der Stadtwache vor«, sagte Steininger. »Das ist ein wichtiger Mann, aber kein einfacher Charakter. Du arbeitest häufig mit ihm z u sammen.«
    Es regnete immer noch in Strömen, als Thomas und Steini n ger den Bischofssitz verließen. Die roten Sandsteinquader, aus denen er errichtet war, schienen die Feuchtigkeit aufzusaugen wie ein Schwamm. Sie befanden sich im Zentrum von Mainz, nur einen Steinwurf vom Dom entfernt. Das fürstliche Palais und das Gerichtsgebäude, Thomas’ neuer Arbeitsplatz, grenzten an die Kathedrale und lagen vor einem offenen Platz, der im Volksmund das »Höfchen« hieß. Der Wind vom Fluss blies i h nen eisige Kälte ins Gesicht. Thomas schaute zum Himmel, wo sich hinter unzähligen grauen und schwarzen Wolken ein g e heimnisvolles Leuchten verbarg. Sie zogen ihre Kapuzen über den Kopf. Bei jedem Schritt sanken Thomas’ Stiefel in den au f geweichten Boden, und mehrmals glitt er aus.
    Sie überquerten den Marktplatz direkt vor dem Dom, wo Handel getrieben wurde. Die Bauern aus der Umgebung und die Mainzer Händler schützten ihre Stände mit Brettern und Planen und rückten dicht zusammen. Das sah von fern aus, als habe der Martinsdom über die Menschen einen Flügel ausgebreitet. Ve r glichen mit den umliegenden Gebäuden wirkte die Kathedrale gewaltig, als wolle sie in den Himmel ragen. Ihren Turm zum Höfchen hin umgab ein Gerüst; dem Wetter zum Trotz arbeiteten dort zwei Bauleute an einem Wasserspeier. Etwas abseits vom Markt standen Karren, Pferde und Ochsen.
    »Das dort drüben«, sagte Steininger und deutete nach links auf die gegenüberliegende Seite, »ist die Münze.« Thomas sah durch die hohen Fenster Männer, die mit Hämmern auf Präg e stöcke schlugen. Vielleicht stellten sie gerade Gulden her.
    Der Marktplatz verengte sich. In Richtung zum Rhein hin schloss eine weitere Kirche direkt an den Dom an. »Sankt M a ria ad gradus«, erläuterte Steininger, »auch
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