Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Graveyard Buch

Titel: Das Graveyard Buch
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
Schieferplatten vom Dach mitgerissen.
    Bod wartete draußen auf der grauen Bank, doch von Silas war nichts zu sehen.
    Der Wind säuselte. Es war eine von jenen Somme r nächten, in denen es gar nicht richtig dunkel wird. Die Luft war lau und doch bekam Bod eine Gänsehaut auf den Armen.
    Plötzlich hörte er eine Stimme nah an seinem Ohr. »Sag, dass du mich vermissen wirst, du Schuft.«
    »Liza?«, sagte Bod. Er hatte seit über einem Jahr nichts gehört von der jungen Hexe, seit der Nacht mit den Jacks. »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?«
    »Ausschau gehalten«, sagte sie. »Muss eine Dame denn alles erzählen, was sie tut?«
    »Hast du nach mir Ausschau gehalten?«, fragte Bod.
    Lizas Stimme klang ganz nah an Bods Ohr. »Wah r lich, das Leben ist verschwendet an die Lebenden, N o body Owens. Denn einer von uns beiden ist zu töricht zum Leben und das bin nicht ich. Sag, dass du mich ve r missen wirst.«
    »Wo gehst du hin?«, fragte Bod. »Aber natürlich werd ich dich vermissen, egal wo du hingehst.«
    »Zu dumm«, flüsterte Liza Hempstocks Stimme und dabei spürte er ihre Hand auf seiner Hand. »Zu dumm zum Leben.« Der Druck ihrer Lippen auf seiner Wange, auf seinem Mund. Sie küsste ihn zärtlich, aber er war zu verblüfft, zu überrumpelt, um zu wissen, was er tun sol l te.
    »Ich werde dich auch vermissen. Immer«, sagte ihre Stimme. Eine leichte Brise fuhr über sein Haar; wenn es nicht Lizas Hand war, und dann war er wieder allein auf der Bank.
    Er stand auf.
    Bod ging zum Eingang der Kapelle, hob den Stein auf, der neben dem Portal lag, und nahm den Ersatzschlüssel an sich, den ein Küster, der schon lange tot war, hier ve r steckt hatte. Er schloss die schwere Eichentür auf, ohne auch nur zu probieren, ob er hätte hindurchschlüpfen können. Die Tür ging knarrend auf.
    In der Kapelle war es dunkel. Bod blinzelte, um etwas sehen zu können.
    »Komm herein, Bod«, sagte eine Stimme. Es war S i las.
    »Ich sehe nichts«, sagte Bod. »Es ist zu dunkel.«
    »Schon?«, sagte Silas und seufzte. Bod hörte das Ra u schen von Samt, dann wurde ein Streichholz angerieben, es flammte auf und wurde dazu benutzt, zwei hohe Ke r zen anzuzünden, die hinten in der Kapelle auf großen geschnitzten Leuchtern saßen. Jetzt konnte Bod seinen Vormund sehen. Dieser stand neben einem großen L e derkoffer, einem sogenannten Überseekoffer – so groß, dass ein großer Mann sich darin hätte zusa m menrollen und schlafen können. Daneben stand Silas’ schwarze L e dertasche, die Bod schon früher gelegentlich gesehen hatte, die er aber immer noch beeindruckend fand.
    Der Überseekoffer war mit weißem Stoff ausgekleidet. Bod fasste mit einer Hand in den leeren Koffer, fühlte das Seidenfutter und fühlte auch etwas trockene Erde.
    »Schläfst du da drin?«, fragte er.
    »Wenn ich weit weg bin von zu Hause, ja«, sagte S i las.
    Bod war wie vor den Kopf geschlagen; Silas war i m mer hier gewesen, solange er zurückdenken konnte, und noch länger. »Ist denn nicht hier dein Zuhause?« Silas schüttelte den Kopf. »Mein Zuhause ist weit, weit weg von hier«, sagte er. »Das heißt, wenn es noch bewohnbar ist. In meiner Heimat hat es Probleme gegeben. Wer weiß, was ich bei meiner Rückkehr dort vorfinden we r de.«
    »Gehst du dorthin zurück?«, fragte Bod. Dinge, die unwandelbar schienen, veränderten sich plötzlich. »Willst du wirklich fortgehen? Aber du bist doch mein Vo r mund.«
    »Ich war dein Vormund. Jetzt bist du alt genug, um selbst auf dich aufzupassen. Ich muss mich um andere Dinge kümmern.«
    Silas schloss den großen Überseekoffer und begann die Riemen zu straffen und die Schnallen zu schließen. »Kann ich nicht hierbleiben? Auf dem Friedhof?«
    »Das darfst du nicht«, sagte Silas so sanft, wie Bod es nie zuvor von ihm gehört hatte. »Alle Leute hier haben ihr Leben gelebt, Bod, auch wenn es manchmal nur kurz war. Jetzt bist du an der Reihe. Du musst dein Leben l e ben.«
    »Darf ich mitkommen?«
    Silas schüttelte den Kopf.
    »Werde ich dich wiedersehen?«
    »Vielleicht.« Freundlichkeit lag in Silas’ Stimme und noch etwas anderes. »Und ob du mich siehst oder nicht, ohne Zweifel werde ich dich sehen.« Er stellte den Übe r seekoffer an die Wand und ging zur Tür am anderen E n de der Kapelle. »Komm mit.« Bod folgte Silas und stieg mit ihm in die Krypta hinunter. »Ich habe mir erlaubt, eine Tasche für dich zu packen«, erklärte er, als sie unten a n gekommen waren.
    Auf der Kiste mit den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher