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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum
Autoren: H. P. Lovecraft
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Jones bewahrte Ruhe.
    »Nein, Rogers, niemand ist gegen Sie. Und ich habe auch keine Angst vor Ihren Figuren, so sehr ich Ihre Kunst bewundere. Aber wir sind heute abend beide etwas nervös, und ich meine, es wird uns beiden gut tun, uns etwas auszuruhn.« Rogers hinderte seinen Gast wiederum am Gehen.
    »Keine Angst, wie? Warum wollen Sie dann unbedingt gehen? Hören Sie zu, würden Sie es wagen, hier alleine im Dunkeln zu bleiben, oder nicht? Warum haben Sie es so eilig, wenn Sie ohnehin nicht an Es glauben?«
    Rogers schien eine neue Idee gekommen zu sein, und Jones musterte ihn prüfend.

    »Ich habe es gar nicht eilig, aber was würde es nützen, wenn ich noch länger hierbliebe? Was würde das beweisen? Mein einziger Einwand wäre, daß ich hier nicht bequem schlafen könnte. Aber was würde ich, würden Sie davon haben?« Diesmal kam Jones eine Idee. Er fuhr in versöhnlichem Tonfall fort.
    »Schauen Sie, Rogers, ich habe Sie eben gefragt, was es beweisen würde, wenn ich hierbliebe, wo wir doch beide die Wahrheit kennen. Es würde beweisen, daß Ihre Wachsfiguren eben nur Wachsfiguren sind, und ich finde. Sie sollten Ihre Phantasie nicht so mit sich durchgehen lassen. Nehmen Sie an, ich bleibe tatsächlich hier. Wenn ich es bis morgen früh aushalte, versprechen Sie mir dann, daß Sie es sich anders überlegen, für drei Monate oder so in Urlaub gehen und Ihr neues Werk von Orabona zerstören lassen ? Was meinen Sie, ist das nicht ein faires Angebot?«
    Der Ausdruck auf dem Gesicht des Schaustellers war schwer zu deuten. Es war offenkundig, daß er fieberhaft nachdachte und daß von den verschiedenen, miteinander in Widerstreit liegenden Gefühlen schließlich bösartiger Triumph die Oberhand gewann. Seine Stimme klang belegt, als er zu seiner Erwiderung ansetzte.

    »Einverstanden, es ist ein faires Angebot! Falls Sie bis zum Morgen durchhalten,halte ich mich an Ihren Ratschlag. Aber das ist die Bedingung. Wir gehen jetzt etwas essen und kommen dann wieder. Ich schließe Sie in dem Ausstellungssaal ein und gehe heim. Morgen früh komme ich vor Orabona zurück er kommt immer eine halbe Stunde früher als die anderen -, und sehe nach, wie es Ihnen geht. Aber lassen Sie sich nicht darauf ein, wenn Sie nicht absolutsicher sind, daß Ihre Skepsis berechtigt ist. Andere wollten vorzeitig wieder heraus, und diese Chance haben Sie auch. Ich nehme an, Sie können sich einem Polizisten bemerkbar machen, wenn Sie an die äußere Tür klopfen. Es wird Ihnen vielleicht nach einer Weile nicht mehr so gut gefallen; Sie sind zwar nicht im selben Raum mit Ihm, aber immerhin im selben Gebäude.«
    Als sie durch die Hintertür in den finsteren Hof hinaustraten, nahm Rogers das in den Rupfen gewickelte gräßliche Objekt mit hinaus. In der Mitte des Hofes war ein Kanaldeckel, den der Schausteller ruhig und mit einem schaurigen Anschein von Gewohnheit hochhob. Das Ding verschwand mitsamt dem Rupfen im Labyrinth der Kanalisation. Jones schauderte und hielt einen gewissen Abstand von der hageren Gestalt ein, als sie auf die Straße hinaustraten.
    Sie gingen in wortlosem Einverständnis nicht gemeinsam essen, sondern
    verabredeten, sich um elf Uhr vor dem Museum zu treffen. Jones hielt eine Kutsche an und atmete freier, als er die Waterloo Bridge hinter sich hatte und auf den hell erleuchteten Strand zufuhr. Er aß in einem ruhigen Cafe zu Abend und ließ sich dann in seine Wohnung am Portland Place fahren, um ein Bad zu nehmen und ein paar Sachen zusammenzusuchen. Er fragte sich, was Rogers gerade tun mochte. Er hatte gehört, daß der Mann ein riesiges, bedrückendes Haus an der Walworth Road besaß, das voller obskurer und verbotener Bücher sowie okkulter Gegenstände und Wachsfiguren war, die er nicht öffentlich ausstellen wollte. Orabona, so hieß es, bewohnte in demselben Haus eigene Räume.
    Als Jones um elf Uhr ankam, wartete Rogers schon an der Kellertür in der Southwark Street. Sie sprachen nur wenig, schienen aber beide sehr angespannt zu sein. Sie kamen überein, daß nur der eigentliche Ausstellungsraum Schauplatz der Nachtwache sein sollte, und Rogers bestand nicht darauf, daß Jones, sich in den Alkoven setzte, der nur Erwachsenen zugänglich war. Rogers löschte von der Werkstatt aus alle Lampen und schloß die Tür der Krypta mit einem der vielen Schlüssel an seinem Schlüsselbund ab. Ohne Jones die Hand zu geben, ging er auf die Straße hinaus, schloß hinter sich ab, und stieg die ausgetretenen Stufen der
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