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Das Grauen im Museum

Das Grauen im Museum

Titel: Das Grauen im Museum
Autoren: H. P. Lovecraft
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entsetzliche Gestalt von Yog-Sothoth vor ihm , erstehen, nur ein Konglomerat irisierender Kugeln, und doch von bösartigster Vieldeutigkeit. Was war diese schaurige Masse, die langsam auf ihn zuschwebte und an den Schirm anstieß, der ihr im Weg stand? Eine kleine Ausbuchtung in dem Stoff ganz rechts ließ an das spitze Horn des Gnophkeh denken, das haarige Fabelwesen aus dem Grönlandeis, das bald auf zwei, bald auf vier und bald auf sechs Beinen ging. Um diese Phantasmagorien zu vertreiben, schritt Jones mit brennender Taschenlampe beherzt auf den höllischen Alkoven zu. Natürlich waren all seine Ängste grundlos und doch schien es nicht so, als wehten die langen Gesichtstentakeln des Großen Ctuluh fast unmerklich hin und her, langsam und stetig? Er wußte, daß sie flexibel waren, hatte aber noch nicht bemerkt, daß der Luftzug, der durch die Annäherung eines Menschen entstand, schon ausreichte, sie in Bewegung zu versetzen.
    Er kehrte auf seinen Sitzplatz außerhalb des Alkovens zurück, schloß die Augen und ließ die symmetrischen Lichtfünkchen gewähren. Die ferne Turmuhr schlug ein einziges Mal. War es möglich, daß es erst ein Uhr war? Er leuchtete mit der Taschenlampe auf seine Uhr und sah, daß es genau eins war. Es würde ihm in der Tat schwer werden, bis zum Morgen auszuharren. Rogers würde gegen acht erscheinen, noch vor Orabona. Draußen in den anderen Kellerräumen würde es schon viel früher hell werden, aber kein Lichtstrahl würde hier zu ihm hereindringen. Alle Fenster dieses Raumes, bis auf die drei schmalen, die zum Hof hinausgingen, waren zugemauert worden. Alles in allem eine ermüdende Nachtwache.
    Die Halluzinationen waren jetzt überwiegend akustischer Natur, er hätte schwören können, daß er in der Werkstatt hinter der verschlossenen Tür verstohlen tappende Schritte hörte. Er durfte nicht an die versteckte Schreckensgestalt denken, die Rogers »Es« nannte. Dieses Ungeheuer war eine Blasphemie, es hatte seinen Schöpfer in den Wahnsinn getrieben, und jetzt beschwor sogar der bloße Gedanke daran eingebildete Schrecknisse herauf. Es konnte nicht in der Werkstatt sein, es befand sich ja hinter der schweren Holztür mit dem großen Schloß. Sicher waren diese Schritte nur Einbildung.
    Dann meinte er zu hören, wie sich der Schlüssel in der Werkstattür drehte. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe hin, aber die alte, in sechs Paneele aufgeteilte Tür war nach wie vor geschlossen. Er versuchte es wieder mit der Dunkelheit und den geschlossenen Augen, aber schon bildete er sich ein, ein Quietschen oder Knarren zu hören; diesmal war es nicht die Guillotine, sondern die langsam und verstohlen sich öffnende Tür der Werkstatt. Er war fest entschlossen, nicht zu schreien. Wenn er erst einmal zu schreien anfing, war es um ihn geschehen. Und doch war jetzt ein Tappen oder Schlurfen zu hören, und es kam langsam auf ihn zu. Er mußte die Kontrolle über sich selbst behalten. War ihm das nicht auch gelungen, als die namenlosen Hirngespinste ihn umzingelt hatten? Das Schlurfen kam näher, und er erlahmte in seinem tapferen Vorsatz. Aber er schrie nicht, sondern stieß nur mit erstickter Stimme hervor: »Ist da jemand? Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
    Es kam keine Antwort, aber das Schlurfen ging weiter. Jones wußte nicht, wovor er sich mehr fürchtete, davor, seine Taschenlampe anzuknipsen, oder davor, im Dunkeln sitzenzubleiben, während etwas auf ihn zugekrochen kam, was er nicht kannte. Dieses Ding war anders, das spürte er genau, als die Chimären des Abends. Seine Hände und sein Hals zuckten krampfhaft. Stillzuhalten war ihn» unmöglich, und die Finsternis begann, unerträglich zu werden. Erneut rief er hysterisch: »Halt! Wer da?«. Und dann knipste er seine Taschenlampe an. Zu Tode entsetzt über das, was er sah, ließ er die Lampe fallen und schrie, nicht nur einmal, sondern unzählige Male.

    Was da aus der Dunkelheit auf ihn zugeschlurft kam, war ein riesiges, lästerliches schwarzes Ungeheuer, halb Affe und halb Insekt. Sein Fell hing ihm lose auf den Knochen, und sein faltiger, mit toten Augen starrender, viel zu kleiner Kopf schwankte wie trunken hin und her. Seine Vordertatzen waren ausgestreckt, mit weit gespreizten Krallen, und der ganze Körper war trotz des völligen Fehlens eines Gesichtsausdrucks in unverkennbarer, boshafter Mordlust angespannt. Als nun die Schreie verstummten und die Dunkelheit zurückgekehrt war, machte es einen Satz und hatte Jones im nächsten
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