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Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)

Titel: Das Glück geht nicht zu Fuß: Wie mein Leben ins Rollen kam (German Edition)
Autoren: Ines Kiefer
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dann doch noch einen Draht zu ihnen – über die Malerei. Thomas’ Opa malte wie ich gern mit Ölfarben.

    Die Rollstuhlfirma Küschall hatte mich zur Messe Reha Care in Düsseldorf an ihrem Stand engagiert, und ich machte dort meinen Job: gut aussehen. Thomas und Tim besuchten derweil einen Zoo. Sie hatten mittlerweile viele Zoos in Deutschland kennengelernt. Am späten Nachmittag kamen sie auf die Messe. Tim schnappte sich einen Kinderrollstuhl und wollte ihn voller Begeisterung, jetzt endlich so was Tolles zu haben wie Mama, gar nicht mehr hergeben.

    Eines Tages im Herbst brachte Thomas sein Keyboard mit zu mir. Von diesem Tag an wohnte er praktisch bei mir. Es hatte mit der Zahnbürste begonnen, einige Klamotten waren gefolgt; mit dem Keyboard traf er seine Entscheidung. Für seine schöne Wohnung fand er schnell einen Mieter, und jetzt waren wir eine frischgebackene Patchworkfamilie. Von Thomas’ Verwandtschaft wurde ich aufgenommen wie eine Tochter. Das spürte ich nicht nur, das hörte ich auch.
    »Ich hab dich sehr lieb, Ines«, sagte Karin einmal zu mir, als ich sie nach einem Spaziergang mit Sita und Tim besuchte. Ich schaute nachmittags oft bei ihr vorbei oder bei Freunden und Freundinnen von Thomas. Manche von ihnen sind nun ebenfalls meine Freunde, und das ist wunderschön. Florian und seine Frau Julia übernahmen auch die Patenschaft für Tim bei seiner Taufe am 1. März 2009. So erfüllte sich Thomas’ Mission doch noch. Von Anfang an hatte ich den Eindruck, er wollte mich in Limbach integrieren. Das ist ihm gelungen – wenn auch anders als geplant!

Die Elternzusammenführung
    Thomas und ich waren ein wenig aufgeregt, als wir unsere Eltern zum ersten Mal gemeinsam einluden. Wir entschlossen uns zu einem Grillfest im Mai – da muss man sich nicht steif am Tisch gegenübersitzen, es ist alles ein bisschen lockerer. Am Abend zuvor erlitt Tim seinen vorletzten schweren Kruppanfall und verdrängte somit die Aufregung wegen unserer Elternzusammenführung. Eigentlich hätte er auch den 1. Mai in der Kinderklinik verbringen sollen, doch ich entließ ihn auf eigene Verantwortung. Ohne Tim hätte das Grillfest nicht stattgefunden.
    Das kleine Fest war ein großer Erfolg. Schnell boten sich alle das Du an. Dieser Erste Mai hätte in einem Bilderbuch gemalt sein können. Blauer Himmel, hin und wieder ein weißes Wölkchen und bei allen Gästen strahlende Laune. Das pure Familienglück. An diesem Tag – unter den Augen seiner echten und gefühlten Großeltern – lernte Tim das Fahrradfahren. Schöner konnte der Tag nicht sein, er war fast schon unerträglich schön, doch ich verschwendete keinen Gedanken an die Zerbrechlichkeit des Glücks. Niemand von uns erahnte die schwarzen Wolken, die am Horizont bereits aufgezogen waren.

    Vier Tage später, Montagabend, hatten wir gerade zu Abend gegessen, und ich machte Tim im Bad bettfertig. Das Telefon klingelte. Thomas nahm ab. Dann schrie er: »Ich komme! Ich bin gleich da!«
    Eine solche Not klang in seiner Stimme, dass ich alles stehen und liegen ließ und zu ihm eilte.
    »Wo ist mein Schlüssel, mein Autoschlüssel?« Panisch durchwühlte er seine Jackentasche.
    »Thomas, was ist denn! Thomas!«
    »Ich muss weg! Mein Autoschlüssel.«
    »Aber sag mir doch, was ist!!«
    »Es ist was mit Karin!«, rief er, krallte sich seinen Schlüssel und stürzte hinaus.
    Im Bad schrie Tim. »Ich komme!«, rief ich, versorgte ihn, brachte ihn ins Bett und schaffte es, ihm ein Märchen vorzulesen, während mein Herz wie verrückt schlug. Karin! Was war geschehen? Was sollte ich tun? Und vor allem: Was konnte ich tun? Ich wollte zu ihr. Aber ich konnte Tim nicht allein lassen. Ich hätte Karin gebraucht, die auf Tim aufpasst, um zu Karin zu fahren.
    Ist sie gestürzt? Vielleicht die Kellertreppe? Oder war etwas mit den Großeltern? Nein, Thomas hatte Karin gesagt. Auf dem Esstisch lag Thomas’ Handy. Ich rief bei Thomas’ Eltern an. Niemand hob ab. Ich wurde fast verrückt in diesem Nichtwissen. Gegen 22 Uhr meldete Thomas sich aus dem Krankenhaus. »Es sieht schlecht aus«, sagte er.
    »Was ist denn überhaupt passiert?«
    »Das wissen wir noch nicht. Sie ist in Ohnmacht gefallen.«
    »Das wird schon wieder«, versuchte ich ihm Kraft zu geben.
    Thomas’ Stimme klang verzweifelt: »Ich glaub nicht, Ines.«
    »Thomas! Ich wecke jetzt Tim, und dann komme ich zu dir, ich …«
    »Nein, Ines. Lass ihn schlafen. Bleib daheim. Hier kannst du nichts tun. Ich rufe dich
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