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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis
Autoren: Laura Joh Rowland
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Haar hing ihm wirr bis auf die Schultern, was ihm ein furchteinflößendes Aussehen verlieh. »Tag und Nacht habe ich die Mörderin meiner geliebten Harume gesucht. Endlich habe ich sie gefunden. Jetzt werde ich Harumes Tod rächen, ihren Geist beschwichtigen und meine Ehre wiederherstellen!«
    Plötzlich wurde Sano klar, weshalb Kushida im Hafenviertel Daikon gewesen war. Er hatte Choyei aufgespürt und den sterbenden Händler gezwungen, die Identität des Kunden preiszugeben, der das Pfeilgift gekauft hatte. Kushida war der Mann gewesen, den der Vermieter in Choyeis Zimmer gehört hatte! Dann war der Leutnant Fürstin Miyagi hinterhergeschlichen.
    Bevor Sano reagieren konnte, stürzte Leutnant Kushida auf die Fürstin zu. Diese schrie auf und sprang zur Seite, weg vom Abgrund und in Richtung des Pavillons, sodass die Speerspitze lediglich den Ärmel ihres Kimonos aufschlitzte. Kushida stieß einen Fluch aus und griff erneut an. Als die Fürstin mit dem Dolch nach dem Leutnant stieß, konnte Reiko sich von ihr losreißen. Sie taumelte über den Pfad und versuchte, sich aus der Reichweite der wütenden Speerstöße Kushidas zu bringen. Als Sano ihr zu Hilfe eilen wollte, traf ihn ein wuchtiger Hieb mit dem Speerschaft an der Schulter.
    Hirata schleuderte Fürst Miyagi zur Seite, zog sein Schwert und stürzte sich auf Kushida. »Ich kümmere mich um den Kerl, sôsakan-sama!«, rief er. »Bringt Reiko in Sicherheit!«
    Mit wuchtigen Schwerthieben trieb Hirata den Leutnant den Hügelhang hinunter. Sano wollte Reiko an sich ziehen, doch Fürstin Miyagi schlitzte ihm mit dem Dolch den Arm auf und kreischte: »Weg da!«
    Sano zog sein Schwert und hieb nach der Dolchklinge. Auch Reiko zog nun ihr Messer unter dem Ärmel ihres Kimonos hervor und griff Fürstin Miyagi an. In diesem Augenblick spürte Sano, dass jemand sich ihm von hinten näherte. Er wirbelte herum und starrte auf Fürst Miyagi, der sein Schwert zum Schlag erhoben hatte. Auf seinen schlaffen Zügen mischten sich Furcht und Entschlossenheit.
    »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr meiner Gemahlin ein Leid zufügt!«, rief er und hieb ungeschickt zu.
    Sano wich behände aus und schlug das Schwert des daimyo zur Seite, denn er wollte den Mann nicht töten, nur außer Gefecht setzen. »Ihr könnt nicht siegen, Fürst Miyagi. Ergebt Euch.«
    Reiko stach derweil mit dem Dolch nach der Fürstin, doch diese parierte. Mit einem hellen metallischen Klirren prallten die Dolchklingen gegeneinander. Mit fliegendem Haar und wehenden Roben wirbelten die beiden Frauen am Rand des Abgrunds umher, sprangen vor, wichen blitzschnell zurück und drehten sich wie bei einem anmutigen, tödlichen Tanz. Reiko kämpfte mit Geschick und Geschmeidigkeit, die Fürstin mit rücksichtsloser, wilder Wut. Ein Stück den Hang hinunter war Kushidas Stimme zu hören, der Hirata zurief: »Lasst mich in Ruhe! Ich muss Harumes Tod rächen, sonst finde ich niemals Frieden!«
    Fürst Miyagi stand gegen Sano auf verlorenem Posten. Schweiß glänzte auf seinem vor Anstrengung verzerrten Gesicht. Ein Leben in Trägheit und Genusssucht hatte ihn schwächlich gemacht und ihn fast alle Kampfkunst vergessen lassen. Bei der ersten Gelegenheit schlug Sano ihm das Schwert aus der Hand. Hilflos kauerte der Fürst am Boden. Er schaute zu seiner Gemahlin hinüber, deren Umhang an vielen Stellen aufgeschlitzt und blutbesudelt war, denn Reiko gewann immer mehr die Oberhand. Der Fürst stieß ein mitleiderregendes Stöhnen aus. Nun erwartete ihn ein Leben ohne sklavisch ergebene Frau, ohne gehorsame Konkubinen. Nun würde er im Kerker enden oder in der Verbannung, und sein gesamter Besitz und sämtliche Ländereien würden beschlagnahmt – als Strafe für die Verbrechen seiner Frau.
    Fürst Miyagi hob die Hände zum Zeichen der Kapitulation.
    »Ich nehme meine Niederlage hin«, erklärte er ruhig und seltsam würdevoll. »Bitte gewährt mir das Privileg, seppuku zu begehen.«
    Der daimyo zog sein Kurzschwert und packte den Griff mit zitternden Händen; die Spitze wies auf seinen Unterleib. Dann schloss er die Augen und murmelte ein Gebet. Sano wusste nicht, ob Miyagi sich wie ein Feigling aus dem Leben schleichen wollte, oder ob er noch einen Rest vom Stolz und der Würde eines Samurai besaß. Miyagi holte tief Luft. Dann rammte er sich mit einem gellenden Schrei die Klinge in den Leib.
    » Vetter! « Fürstin Miyagi eilte zu ihrem Mann und kniete neben ihm nieder. Stöhnend wand sich der daimyo im Todeskampf am
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