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Das Geheimnis

Das Geheimnis

Titel: Das Geheimnis
Autoren: Laura Joh Rowland
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mit schwächlichen Handbewegungen auf, an seiner Stelle fortzufahren.
    »Ihr habt Shichisaburô befohlen, einen Brief von Fürstin Keisho-in zwischen die Habseligkeiten von Konkubine Harume zu schmuggeln, sodass ich ihn finden musste«, sagte Sano.
    Der vorsichtige Tonfall des sôsakan-sama ließ erkennen, dass er sich darüber im Klaren war, dass diese Schlacht noch nicht entschieden war, auch wenn Keisho-in herablassend grinste und sich auf Ryukos Gesicht hämische Freude spiegelte. Als Sano erklärte, wie die List entdeckt worden war, schüttelte Yanagisawa in gespielter Empörung den Kopf und setzte eine zornige Miene auf.
    »Shichisaburô hat ohne meine Anweisung und ohne mein Wissen gehandelt«, sagte er dann.
    Fürstin Keisho-in schnappte nach Luft. »Unglaublich!«, stieß sie hervor. Ryukos Augen wurden zu schmalen Schlitzen, Sanos Miene finster.
    »Tatsächlich?«, fragte der Shôgun, und in seiner Stimme schwang Hoffnung mit. »Wollt Ihr damit sagen, dieser Junge war an allem schuld, und dass Ihr mit dieser … äh, Verschwörung gegen meine Mutter und den sôsakan-sama gar nichts zu tun hattet?«
    Kammerherr Yanagisawa merkte, wie das Pendel des Glücks wieder in seine Richtung ausschlug. Er, der langjährige Geliebte von Tokugawa Tsunayoshi, bedeutete dem Shôgun noch immer etwas; dem Herrscher war Aussöhnung genauso wichtig wie die Gerechtigkeit. »Genau das habe ich gemeint, mein Fürst.«
    Der Shôgun lächelte erleichtert. »Mir scheint, wir haben Euch Unrecht getan, Yanagisawa-san. Ich bitte tausendmal um Vergebung.«
    Der Kammerherr jubelte innerlich auf. Er stand kurz davor, doch noch heil davonzukommen! Shichisaburô würde für die fehlgeschlagene Verschwörung büßen müssen – und mit dem Verschwinden des jungen Schauspielers würde auch die ständige Gefahr beseitigt, gefährliche Begierden in Yanagisawa zu erwecken und damit seine Kraft und sein Urteilsvermögen zu schwächen. Der Kammerherr verbeugte sich, nahm demütig die Entschuldigung des Shôguns an und bereitete sich auf die nächste Runde vor.
    Genau wie er es erwartet hatte, sagte Sano: »Ich schlage vor, wir gestatten Shichisaburô, seine Version der Geschichte vorzutragen.«
    »Äh … also gut«, erwiderte der Shôgun nachsichtig.
    Kurz darauf kniete Shichisaburô neben Yanagisawa vor dem Podium. Sein kleines Gesicht war verzerrt vor Angst. Er blickte Yanagisawa an und suchte nach einem Anzeichen dafür, dass er nichts zu befürchten habe, doch der Kammerherr wich dem Blick seines Geliebten aus. Er konnte es kaum erwarten, diese verachtenswerte Kreatur loszuwerden.
    »Ich will, dass du uns die Wahrheit sagst, Shichisaburô«, wandte Tokugawa Tsunayoshi sich an den Jungen. »Hast du aus eigenem Antrieb und ohne … äh die Anweisung eines anderen einen Brief gestohlen, den meine Mutter geschrieben hat, und hast du diesen Brief im Gemach von … äh, Konkubine Harume versteckt?«
    Natürlich würde der Junge die ganze, wahre Geschichte erzählen; das wusste Yanagisawa. Dann aber stand das Wort eines unbedeutenden Schauspielers gegen das des mächtigen Kammerherrn; es würde ihm ein Leichtes sein, Shichisaburô als Lügner dastehen zu lassen.
    »Ja, Herr, ich habe es aus eigenem Antrieb getan«, sagte Shichisaburô.
    Yanagisawa starrte ihn fassungslos an. Aufgeregtes Murmeln war von Fürstin Keisho-in und Priester Ryuko zu hören. Der Shôgun nickte.
    »Mein Fürst«, sagte Sano, »ich glaube, dass Shichisaburô sich in diesem Gemach und vor aller Augen eingeschüchtert fühlt. Wir werden eher die Wahrheit von ihm erfahren, wenn Ihr und ich ungestört mit ihm reden.«
    »Nein!«, rief Shichisaburô mit gellender Stimme; dann nahm seine Stimme wieder den ruhigeren Tonfall an wie zuvor. »Das ist nicht nötig. Ich … Ich sage die Wahrheit.«
    Kammerherr Yanagisawa war dermaßen verdutzt, dass ihm die Worte fehlten. Hatte Shichisaburô den Verstand verloren?
    »Ist dir klar, was du da gestehst?«, fragte Tokugawa Tsunayoshi. »Dass du versucht hast, meine Mutter als Mörderin hinzustellen? Ist dir klar, dass du Hochverrat begangen hast?«
    Zitternd flüsterte der Junge: »Ja, Herr. Ich bin ein Verräter.«
    Tokugawa Tsunayoshi seufzte. »Dann muss ich dich zum Tode verurteilen.«
    Als Wachsoldaten eiserne Ketten um Shichisaburôs Hand- und Fußgelenke legten, um ihn auf den Richtplatz zu zerren, wandte Tokugawa Tsunayoshi den Blick von diesem unangenehmen Bild. Fürstin Keisho-in brach in Tränen aus. Priester Ryuko tröstete sie,
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