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Das Geheimnis von Winterset

Das Geheimnis von Winterset

Titel: Das Geheimnis von Winterset
Autoren: Candace Camp
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überwältigt.
    Anna keuchte und spürte, wie ihre Knie unter ihr nachgaben. Sie lehnte sich an einen Baum und schlang ihre Arme um den Stamm, um den Halt nicht zu verlieren. Ihr graute, denn sie wusste, was nun geschehen würde.
    Sie hatte Angst, dass es ihr Onkel sein könnte ... Sie fürchtete, gleich eine Vision zu haben, die ihr ein schreckliches Verbrechen ihres Onkels zeigen würde. Doch es kam noch schlimmer.
    Zunächst kam unaufhaltsam die Angst, die so eindringlich und gewaltig war, dass Anna übel wurde. Und dann sah sie Reeds Gesicht vor sich, wie sie es in ihrem Traum gesehen hatte - blass, mit geschlossenen Augen ... so, als ob er tot sei.
    Mit einem Stöhnen ließ Anna sich auf die Knie sinken, sie konnte sich nicht länger auf den Beinen halten. Sie hoffte inständig, dass es nicht Reed war.
    Aber sie konnte ihn ganz genau erkennen und sah das Blut von seiner Schläfe tropfen. Sein Gesicht schimmerte nass, der Regen fiel darauf und strömte seine Wangen herunter. Plötzlich wusste Anna, dass dies keine Vorahnung war, wie noch ihr Traum in der letzten Nacht. Was sie jetzt sah, geschah wirklich. Es geschah jetzt.
    Reed schwebte in höchster Gefahr.

19. KAPITEL
    Ein panischer Schrecken erfasste sie, und Annas erster Impuls war, sich der Vision zu verschließen, um den Anblick nicht länger ertragen zu müssen. Wie schon so oft, würde sie ihre Gedanken auf etwas anderes konzentrieren, und so der Intensität der Erfahrung entgehen.
    Allerdings durfte sie das nicht zulassen, sie musste, nein, sie wollte unbedingt noch mehr sehen. Schließlich musste sie wissen, wo Reed sich befand und was mit ihm geschah. Nur so würde sie ihn retten können.
    Sie kauerte auf den Knien, hielt mit beiden Armen weiterhin den Stamm des Baumes umschlungen und versuchte, sich ganz den schrecklichen Bildern ihrer Vorstellung zu öffnen - und den Schmerz und den Schrecken zu ertragen, die damit einhergingen.
    Reed lag auf dem Rücken am Boden, und um ihn herum standen Bäume. Ein Mann hockte neben ihm, aber wegen seines schwarzen Umhangs konnte Anna kaum mehr als eine dunkle, unförmige Gestalt ausmachen, die sich langsam vorbeugte.
    „Nein!", schrie Anna und stand hastig auf. Sie taumelte ein wenig, doch dann lief sie blindlings los. Ihre Angst trieb sie voran, und erst als sie im Schlamm ausrutschte und hinfiel, kam sie so weit zu sich, dass sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    Ihre Vision war vorüber, aber das elende Gefühl angstvollen Erschauderns dauerte an. Anna versuchte, sich an das zu erinnern, was sie gesehen hatte, bevor die Angst um Reed sie überwältigt hatte. Sie kannte diesen Ort! Ganz sicher kannte sie ihn.
    Sie schloss die Augen und wartete, bis sie einen großen Felsblock vor sich sah und die tiefhängenden Zweige einer Eiche.
    Anna sprang auf. Es war hier, ganz in der Nähe. Nicht in Richtung Craydon Tor, sondern näher an Winterset.
    Und dann rannte sie, duckte sich unter Ästen hindurch und wich den Büschen im Unterholz aus, raffte ihre Röcke hoch, damit sie sich nicht mit dem Schlamm vollsogen. Hin und wieder glitt sie auf dem nassen Boden aus, aber nichts konnte sie jetzt mehr aufhalten. Der Regen wurde immer stärker und durchnässte sie bis auf die Haut. Ein Zweig verfing sich in ihrem Hut und riss ihn von ihrem Kopf. Anna bemerkte es kaum, sie rannte weiter, rang keuchend nach Luft und spürte ihre Angst mit jedem Schritt zunehmen.
    Und dann endlich war sie dort und sah sie vor sich - einen Mann, der reglos am Boden lag, und eine dunkle Gestalt, die sich über ihn beugte.
    „Nein!", schrie Anna und stürzte sich auf den unbekannten Angreifer.

    Bei ihrem Schrei fuhr er hastig herum, stand auf und stieß mit einer raschen Bewegung seinen Arm vor. Er traf Anna mitten in die Brust und schleuderte sie zu Boden. Sie sah zu ihm auf und wurde von einer lähmenden Angst ergriffen. Das Gesicht, das sich drohend über sie beugte, war nicht das eines Menschen.
    Sie brauchte einen Augenblick, bevor sie begriff, dass der Mann im Umhang eine Maske trug, wie sie sie in den Räumen Lord de Winters gefunden hatten. Diese hier war aus weißem und grauem Fell gemacht und endete über Nase und Wangen. Die Kapuze des Umhangs verbarg das Haar des Mannes und gab nur den Blick auf sein maskiertes Gesicht frei. In das Fell waren Löcher geschnitten, durch die menschliche Augen zu erkennen waren, und die ungewohnte Mischung aus Mensch und Tier war ein weitaus erschreckenderer Anblick, als es Tier oder Mensch
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