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Das Geheimnis meiner Mutter

Das Geheimnis meiner Mutter

Titel: Das Geheimnis meiner Mutter
Autoren: Susan Wiggs
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strich mit der Hand ihre Hosentasche glatt.
    Ihre Gedanken kehrten zu Zach zurück, während sie ihren Blick über die vertraute Nachbarschaft mit ihren historischen Backsteinhäusern, in denen sich Büros, Geschäfte und Restaurants befanden, gleiten ließ. Wenn jemand ihr vor Jahren gesagt hätte, dass sie in ihrem jetzigen Alter immer noch in Avalon sein und in der Bäckerei arbeiten würde, hätte sie ihn ausgelacht. Sie hatte große Pläne gehabt. Sie würde die kleine, ruhige Oase verlassen, in der sie aufgewachsen war. Ihr Ziel waren die große Stadt, eine gute Ausbildung, eine Karriere gewesen.
    Es war vermutlich nicht fair, Zach in ein kleines gemeines Geheimnis einzuweihen: Das Leben hatte so seine Art, einem einen Strich durch die ausgefeiltesten Pläne zu machen. Im Alter von achtzehn Jahren hatte Jenny die fürchterlichen Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems kennengelernt, unter denen vor allem die Selbstständigen zu leiden hatten. Mit einundzwanzig wusste sie, was man tun musste, um Privatinsolvenz anzumelden. Es war ihr gerade eben so gelungen, das Haus in der Maple Street zu behalten. Es war keine Frage, dass sie ihre Granny nicht alleine lassen würde, verwitwet und körperlich eingeschränkt nach einem schweren Schlaganfall.
    Die Wirkung der Tablette setzte ein und bedeckte die scharfen Kanten ihrer Nerven wie eine Schneedecke, die sich über eine zerklüftete Landschaft legte. Sie atmete tief ein und ganz langsam wieder aus, schaute der Atemwolke hinterher, bis sie verschwunden war.
    Der Himmel im Norden, in Richtung Maple Street, schien in einem unnatürlichen Licht zu flackern und zu glühen. Sie blinzelte. Vielleicht handelte es sich nur um einen komischen Nebeneffekt der Panikattacke. Daran sollte sie sich inzwischen eigentlich gewöhnt haben.

2. KAPITEL
    A  ls aus dem Funkgerät in Rourke McKnights Streifenwagen ein dringender Alarmton ertönte und er den Aufruf „Alle verfügbaren Einheiten zur 472 Maple Street“ hörte, wäre sein Herz beinahe stehen geblieben.
    Das war Jennys Haus.
    Er war am anderen Ende der Stadt gewesen, aber sobald er den Aufruf hörte, hatte er sein Funkgerät gegriffen, seinen Standort und seine vermutliche Ankunftszeit am Einsatzort durchgegeben und das Gaspedal durchgetreten. Die Reifen wirbelten Sand und Schnee auf, als er mit schlingerndem Heck auf der Straße wendete und in Richtung Maple Street raste. Parallel rief er in der Vermittlung an. „Ich bin auf dem Weg. Ich lass dich wissen, wenn ich Code elf bin.“ Seine Stimme klang seltsam flach, wenn man die Gefühle bedachte, die durch seinen Körper rasten.
    Es war das allgemeine Signal ausgeschickt worden, dass das Gebäude – Gott, Jennys Haus – bereits „im Vollbrand“ stand. Jenny war bisher jedoch noch nicht gesichtet worden.
    Als er endlich das Haus an der Maple Street erreichte, war das gesamte Gebäude in grelle Feuerbänder gehüllt, und Flammen schlugen aus jedem Fenster und leckten an den Regenrinnen.
    Er brachte den Wagen zum Stehen, wobei er einen Scheinwerfer in einer Schneewehe versenkte, und stieg aus, ohne die Tür hinter sich zuzumachen. Schnell verschaffte er sich einen Überblick über die Lage. Die Feuerwehrmänner, ihre Wagen und ihre Ausrüstung waren in das orangerote flackernde Licht getaucht. Mit zwei Schläuchen versuchten sie, des Feuers Herr zu werden. Weitere Männer bemühten sich, einen Hydranten aus dem Schnee freizugraben. Die Szene war erstaunlich ruhig und überhaupt nicht chaotisch. Allerdings war die Flammenwand undurchdringlich, und die Feuerwehrleute konnten es nicht einmal in voller Ausrüstung wagen, das Haus zu betreten.
    „Wo ist sie?“, wollte Rourke von einem Feuerwehrmann wissen, der über sein an der Schulter befestigtes Funkgerät Nachrichten an die Zentrale übermittelte. „Wo zum Teufel ist sie?“
    „Wir haben die Bewohnerin nicht gefunden“, erwiderte der und schaute zu dem in der Einfahrt stehenden Krankenwagen. „Wir denken, dass sie nicht da ist. Allerdings steht ihr Auto in der Garage.“
    Rourke ging auf das brennende Haus zu und rief Jennys Namen. Das Gebäude brannte wie Zunder. Ein Fenster barst, und heißes Glas regnete auf ihn herab. Automatisch hob er seine Hand, um seine Augen zu schützen. „Jenny!“, rief er erneut.
    Innerhalb einer Sekunde fielen all die Jahre des Schweigens von ihm ab, und Bedauern setzte ein. Als könnte er irgendetwas richten, indem er ihr aus dem Weg ging. Ich bin ein Idiot, dachte er. Und dann
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