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Das Geheimnis des Scriptors

Das Geheimnis des Scriptors

Titel: Das Geheimnis des Scriptors
Autoren: Lindsey Davis
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rauhen Bedingungen groß geworden«, sagte ich, »und ich gestehe einige Fetische ein, aber ich bin noch nicht so tief gesunken, dass ich an alten Flecken in den Tuniken anderer Leute schnüffle.«
    »Du willst Notiztafeln.« Helena Justina schmiegte sich an meine Schulter, schwieg eine Weile und beobachtete die Fähre. »Seitenweise hilfreich gekritzelter Hinweise.« Schließlich, weil sie wusste, dass ich darauf wartete, murmelte sie mit höflicher Neugier: »Mein Liebling, welche Fetische?«

VI
    D as Eintreffen unserer Kinder nahm den Rest des Morgens in Anspruch. Aulus und ich plauderten scherzhaft über seine geplante Reise nach Athen, während Helena und Albia ein ernstes Gespräch darüber führten, warum die Hündin so kränklich wirkte. Die Mädchen tapsten und krochen allein herum und hielten Ausschau nach Sachen, die sich in ihrem neuen Heim zerstören ließen. Die Hündin Nux rannte eine Weile mit ihnen herum, wurde dann der Aufregung müde und versteckte sich unter einem Bett.
    Es gab eine Menge auszupacken. Alle bemühten sich, nicht der Trottel zu sein, der es schließlich tun musste. Demjenigen, der bei der Ankunft das Gepäck auspackt, wird immer die Schuld für alles zugeschoben, was andere vergessen haben.
    Ja, natürlich ist das ungerecht. Das Leben ist ungerecht. Nach zehn Jahren als Privatermittler war das die einzige philosophische Gewissheit, an die ich mich nach wie vor hielt.

    Was Aulus betraf, zwei Stunden in einem heißen Karren mit einem störrischen Maultier und der Aufgabe, mein Gefolge zu beaufsichtigen, hatten ihn vollkommen erledigt. Als durchtrainierter und kompakter Bursche hätte er über endlose Energie verfügen sollen, doch er legte bald die Beine auf ein Fensterbrett und schlief ein. Bevor er wegdämmerte, reichte er mir noch das Schriftstück von den Scriptoren, das mir die Befugnis gab, Diocles’ Besitztümer an mich zu nehmen. Aulus lehnte es ab, Interesse an der Herausgabe der Beute zu zeigen.
    Ich hätte annehmen können, dass er zurückblieb, weil er ein Auge auf Albia geworfen hatte, aber sie war viel zu jung für ihn, und ihre Vergangenheit war zu voll an Ungewissheiten für einen Konservativen wie Aulus. Sie kam aus Britannien und war als Säugling während der Rebellion im Rinnstein gefunden worden. Sie mochte ehrbarer römischer Abstammung sein – oder vielleicht auch nicht. Niemand würde das je erfahren, und daher war sie nicht gesellschaftsfähig. Aulus wiederum hatte eine Erbin verloren, als seine ehemalige Verlobte Claudia Rufina stattdessen seinen Bruder heiratete. Jetzt war der Sitzengelassene entschlossen, seine großen braunen Augen ausschließlich auf eine erstklassige Jungfrau mit einer formidablen Ahnenreihe und den entsprechenden Geldsäcken zu werfen.
    Albia hätte in ihn verknallt sein können, wenn sie nicht grausig missbraucht worden wäre, bevor wir sie gerettet hatten. Jetzt wich sie Männern aus. Zumindest redete ich mir das ein, denn wer wusste, ob ihre Vergangenheit sie nicht zu einem leichten Mädchen gemacht hatte. Helena glaubte an sie. Das reichte mir aus.
    Häusliche Sorgen hätten mir früher nie zugesetzt. Einst hatte ich keine Bindungen gehabt. Meine einzigen Sorgen hatten darin bestanden, wie ich die Miete zahlen sollte und ob meine Mutter meine neue Freundin entdeckt hatte. Ehemann und Vater zu werden hatte mich zur Ehrbarkeit verdammt. Alleinstehende Ermittler sind stolz darauf, einen anrüchigen Ruf zu haben, aber ich war inzwischen so domestiziert, dass ich zwei unverheiratete Personen nicht ohne Gewissenserforschung allein lassen konnte.
    Helena hatte da keine Skrupel. »Wenn sie miteinander schlafen wollten, hätten sie das auf dem Weg hierher längst getan.«
    »Was für ein schockierender Gedanke.« Ich verbarg ein Grinsen.
    »Du bist doch bloß verblüfft, dass ich mich noch daran erinnere, was du und ich getan hätten, Marcus.«
    Ich schwelgte in nostalgischen Erinnerungen. Dann tröstete ich mich: »Na ja, Albia hasst Männer.«
    »Albia glaubt, dass sie Männer hasst.«
    Da konnte es also noch Ärger geben.
    »Er ist zu dick«, bemerkte Albia selbst, als sie unerwartet hereinkam. Wie lange hatte sie gelauscht? Sie war ein schlankes junges Mädchen mit dunklem Haar, das mediterran sein konnte, und blauen Augen, die keltisch sein konnten. Ihr Latein war noch stockend, doch Helena hatte das in die Hand genommen. Bald würde Albia als Freigelassene durchgehen, und die Fragen würden aufhören. Mit etwas Glück sollte es
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