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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi
Autoren: Dryas Verlag
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Miss­trauens schwand aus seinem Gesicht. „Ich verstehe“, ­antwortete er. „Erzählen Sie mir alles“, rief er. „Ich will versuchen, es zu verstehen, wenn ich kann.“
    „Ich arbeitete letzten September auf Atkinsons Farm“, begann Luke Marks. „Und weil der nächste Weg von der Farm zu Mutters Haus über die Weiden auf der Rückseite vom Court führte, ging ich immer diesen Weg. Die ­Kirchenuhr von Audley schlug g’rade neun, als ich über die Weiden zwischen Atkinsons Farm und dem Court ging. Der kürzeste Weg führte durchs Gebüsch beim Kräutergarten entlang und am ausgetrockneten Brunnen vorbei. Es war ’ne finst’re Nacht, aber ich kannt’ mich um’s alte Haus ganz gut aus, und außerdem leuchtete das Licht im Fenster von der Gesindestube. Ich war ganz dicht bei der Öffnung vom trock’nen Brunnen, als ich ein Geräusch hört’, das mir ’ne Gänsehaut über den Rücken jagte. Es war ein Stöhnen, ein Stöhnen vom ’nem Mann, der wohl Schmerzen hatt’ und irgendwo im Gebüsch lag. Für ’nen Moment wußt’ ich nich’, was ich tun sollt’. Aber dann hört’ ich das Stöhnen noch mal und machte mich dran, zwischen den Büschen zu suchen. Ich fand ’nen Mann, der sich unter den Lorbeerbüschen versteckt hatt’. Ich dacht’ erst, dass der nichts Gutes im Schilde führen könnt’, und wollt’ ihn schon am Kragen packen und zum Haus schleppen, als er mich festhielt. Dann fragt’ er mich, wer ich denn wär’ und was ich mit den Leuten vom Court zu tun hätt’. In der Art, wie er redete, war so was, was mir klar machte, dass er ein Gentleman sein musst’. Es sagt, er will weg von hier, ohne das jemand ihn sieht. – Ich sagte ihm, dass das ganz einfach wär’. Sein rechter Arm hing an seiner Seite runter und er hatte Schmerzen. Ich sage ihm, dass ich ihn zu Mutter ins Haus bringen kann. Da zieht er eine Fünfpfundnote aus der Tasche und sagt, wir sollen niemandem etwas von ihm sagen. Naja, und dann wurde er ohnmächtig. – Ich trug ihn auf der Schulter hierher und setzte den Burschen in ’n Stuhl beim Feuer. Da wacht’ er auf. Ich hatt vorher noch nie jemand in so ‘nem Zustand geseh’n. Dreckig war er, die Hände zerkratzt und zerschnitten. Hilflos wie ’n Baby saß er da und starrte ins Feuer und gab nur ab und zu ’nen langen, tiefen Seufzer von sich, so als ob sein Herz ­platzen wollt’. Er hörte und sah nich’s. Saß einfach nur da und starrte vor sich hin. Weil ich dacht’, dass er sehr schlecht dran wär’, wollt’ ich geh’n und Mr Dawson holen. Ich sagte so was zu Mutter. Aber so komisch er auch im Kopf war, da kuckte er auf und sagte nein, nein. Keiner außer uns beiden sollt’ wiss’n, dass er da wär’.“ Marks nahm einen tiefen Schluck aus dem Becher. „Ich hab ’nen Tropfen Brandy geholt, was ’ne gute Sache gewes’n is’, dass ich den Brandy geholt hab’, denn er zitterte ganz schrecklich, und der Becherrand klapperte richtig gegen seine Zähne. Dann schlief er auf so ’ne dumme Art ein. Ich schickte Mutter ins Bett. Ich ließ das Feuer brennen, bis es schon fast Tagesanbruch war. Da wachte er auf einmal mit ’nem Ruck auf und sagte, dass er auf der Stelle geh’n müßt’. Er ließ mich ihm die Kleider anzieh’n, die ich getrocknet und, so gut ich eben konnt’, sauber gemacht hatt’, während er schlief. Die Wunde an der Stirn hat auch nich’ mehr geblutet. Und dann wollt’ er wissen, was die nächste Stadt an der Straße nach London ist. Ich sagte Brentwood. Und da wollt’ er hin. Sofort. Ich sollte ihn zu ’nem Wundarzt bringen, der ihm den Arm einrenkt. Dafür hat er mir noch mal fünf Pfund gegeben. Und dann fragt’ ich ihn, ob ich nich’ geh’n und versuch’n sollt’, ein Fuhrwerk von einem der Nachbarn zu leihen, um ihn hinzufahr’n, weil das doch ein Fußmarsch von sechs Meilen wär’. Er schüttelte den Kopf. Und so gingen wir zu Fuß. Und er ging wie ’n aufrechter Mann. Dabei wußt’ ich ja, dass ihm jeder Schritt höllisch wehtat. Aber er hielt durch, wie er’s vorher schon getan hatte. Ich hab’ noch nie in meinem ganzen gesegneten Leben ’nen Burschen ­gesehen, der so durchhielt. Der Wundarzt schiente seinen Arm und legt’ ihm ’ne Schlinge an.“
    Robert Audley zuckte zusammen. Eine Begebenheit, die mit seinem Besuch in Liverpool im Zusammenhang stand, fiel ihm ganz plötzlich wieder ein. Er erinnerte sich des Schreibers, der ihm nachrief, dass da ein ­Passagier ­gewesen sei, der seine Koje an Bord
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