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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi
Autoren: Dryas Verlag
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Einzig Sophie, die Tochter eines angesehenen Bürgers der Stadt, glaubt an ihn und seine Unschuld. Als Feuer und Intrigen die Stadt bedrohen, erkennen beide, wer Freund und wer Feind ist.

    Leseprobe "Fortunas Schatten"
    Februar 1893, Nordsee vor England

    Leise schlugen Wellen an die Bordwand der Revenge. Durch das offene Bullauge drang ihr Plätschern in die Kajüte herein.
    Sanft rollte der Knüppel im Takt der Wogen hin und her. Immer wieder stieß er gegen den Mann in der Kapitänsuniform, der bewusstlos in der Mitte des niedrigen Raumes lag. Aus einer Wunde an seinem Kopf sickerte Blut, tränkte den Kragen seiner Kleidung und rann langsam auf den Boden, wo sich bereits eine Lache gebildet hatte.
    Das Ticken einer Wanduhr erfüllte die Kajüte. Von draußen drangen Befehle herein. Schritte schwerer Stiefel gingen an Deck auf und ab. Längsseits war das gleichmäßige Stampfen eines kleinen Kutters zu hören. Es mischte sich mit dem Rauschen der Nordsee und dem Ticken der Uhr.
    In der Mitte der Kajüte stand der blank polierte Tisch des Kapitäns, bedeckt mit Seekarten. Das Messing eines Sextanten darauf glänzte im Licht einer Lampe, die schwankend von der getäfelten Decke hing.
    Von der Wand blickte ein in Gold gerahmtes und in dunkle Farben gebanntes Gemälde von Sir Rupert Cunningham in den Raum. Der Reeder schien jeden Winkel seiner Revenge mit festem Blick zu erfassen.
    Warum hatte er den Mann mit dem Knüppel in der Hand nicht gesehen? Warum hatte er den Kapitän nicht gewarnt, als der Belegnagel niedersauste?
    Der Mann am Boden stöhnte, als er sich vorsichtig aufstützte.
    Nach einer Weile konnte er sich langsam am Tisch hochziehen.
    Mit einer Hand fasste er das offene Fenster. Ein Windhauch kam durch das Bullauge herein. Draußen war es dunkel. Durch Wolkenfetzen schien der volle Mond. Nur für einen kurzen Moment sah Kapitän Sötje, wie jemand das kleine Beiboot heimlich von der Revenge fortruderte. Dann versank auch schon wieder alles im Dunkel.
    Plötzlich ging ein Zittern durch den Boden des Schiffes. Eine Explosion zerriss die Stille. Kurz vibrierte die Luft, schien das Meer stillzustehen.
    Die Wucht schleuderte Hauke Sötje durch den Raum. Das Gemälde des Reeders fiel herab. Die Tischkante bohrte sich durch die Leinwand.
    Schmerzensschreie gellten in die Nacht hinaus. Hastig erteilte Befehle wurden laut.
    Doch Kapitän Sötje hörte sie nicht mehr.
    Langsam begann sich die Revenge nach Luv zu neigen. Der Sextant bewegte sich wie von Geisterhand zum Rand des Tisches und kippte hinunter. Sein Spiegel zerbarst in tausend Stücke.
    Ein Beben ging durch den Körper des stolzen Viermasters.
    Kurze Stille, dann kreischte das Schiff auf. Holz splitterte, die Takelage knallte Peitschenhiebe auf die Planken an Deck. In die Schreie der Männer mischte sich lautes Gurgeln, dann das Quietschen der Davits. Man versuchte, die Beiboote zu Wasser zu lassen.
    Unablässig quoll die Nordsee unter der verschlossenen Tür durch. Immer schneller drang kaltes Wasser in die Kapitänskajüte, umspülte den regungslosen Körper.
    Hauke Sötje stöhnte leise.
    Dann zerbrach die Welt!
    Eine weitere Explosion ließ die Außenwand des Schiffes aufplatzen.
    Wasser stürmte herein, nahm sich seinen Zoll. In wenigen Augenblicken schwammen die Seekarten vom Tisch auf, fielen Bücher aus den Regalen, trieb Sir Rupert rücklings der Decke des Raumes entgegen.
    Das kalte Wasser erfasste den Körper des Kapitäns, hob ihn vom Boden.
    Da riss Hauke Sötje die Augen auf.
    Verzweifelt ruderten seine Arme umher, während das salzige Wasser seinen Körper unaufhaltsam der eichenen Decke entgegen hob. Er fand keinen Halt!
    Seine Kleider zogen ihn hinunter.
    Dann, als kaum noch Platz zwischen ihm und der Decke war, umklammerten seine eisigen Finger das Holz des Knüppels. Es war der Belegnagel, der ihn hatte umbringen sollen.
    Er ließ ihn los und stemmte sich mit letzter Kraft gegen die hölzerne Deckentäfelung.
    Wasser lief in seinen Mund, er schluckte, hustete, schnappte nach Luft.
    Wie aus der Ferne hörte er noch seine eigene Stimme schreien.
    Oben war unten, unten war oben. Alles kalt. Seine Beine taub.
    Das Wasser erreichte die Decke der Kajüte.
    Endlich ging ein letztes Grollen durch das sterbende Schiff und der Körper des Mannes glitt ins Meer hinaus, bevor die Revenge vor Margate sank.

    Mehr in Anja Marschalls „Fortunas Schatten“

    www.dryas.de/fortunasschatten
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