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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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Zimmer der jungen Burgfrau hinauf.
    Die Kammer war abgedunkelt, wie bei einer Entbindung üblich, stickig und voller Rauch.
    Irmhild lag wimmernd unter dicken Decken und Fellen auf ihrer Bettstatt, umgeben von mehreren Frauen, die Marthe ebenso skeptisch wie neugierig ansahen. Am Fenster stand der verlegen dreinblickende Burgkaplan, ein hagerer alter Mann mit eisgrauem Haar.
    Rasch entschied Marthe, was zu tun war.
    »Dies hier ist Frauensache. Seid so gut und lasst die Herrin nun allein, Vater. Aber ich bitte Euch, helft ihr mit Euren Gebeten«, sagte sie. Der Kaplan nickte, murmelte einen Segensspruch und verließ sichtlich erleichtert die Kammer.
    »Wie geht es Euch?«, fragte das Mädchen freundlich die zarte junge Frau mit dem aschgrauen Gesicht.
    »Hilf mir – es zerreißt mich fast! Wo ist Serafine?«, stöhnte Irmhild.
    Marthe überging die Frage. Sie sprach ein kurzes Gebet, dann schob sie die Felle beiseite, mit denen die Kreißende zugedeckt war, und untersuchte sie mit sanften, aber geschickten Händen. Serafine hatte ihr beigebracht, den geschwollenen Leib genau von außen zu erkunden. »Nur mit äußerster Vorsicht darf man mit der Hand in den Leib der Gebärenden gehen«, hatte sie ihr immer wieder eingeschärft. »Das meiste, was du als Wehmutter wissen musst, kannst du auch so erkennen.«
    Wenn sie unter sich waren und Heiltränke brauten, hatte die alte Fine oft von Hebammen berichtet, die den Frauen schlimme Verletzungen zufügten, indem sie die Hand zu tief in den Unterleib bohrten oder die Scheidenöffnung auseinander rissen, um dem Kind den Weg zu öffnen. Serafine gehörte zu den Kundigen, die auch von außen ein Kind im Mutterleib drehen konnten, wenn es nicht richtig lag, und hatte dieses Wissen an Marthe weitergegeben.
    »Das Kind will vor der Zeit kommen. Die Geburt ist nicht mehr aufzuhalten«, sagte Marthe schließlich leise. Sie deutete auf die frischen Blutergüsse, mit denen Irmhilds Gesicht und Körper übersät waren. »Was ist Euch zugestoßen?«
    Wulfharts Frau ließ den Kopf sinken. »Ich bin gestürzt.« Marthe sprach nicht aus, was offensichtlich war. Sie durchsuchte den Korb, den Ludolf ihr gebracht hatte, und schickte eine Magd nach frischem Wasser und reinem Gänsefett. Dann führte sie mit einer der Frauen Irmhild zum Gebärstuhl.
    »Ihr werdet es schaffen«, versuchte sie die verängstigte Burgherrin zu beruhigen, die nur wenige Jahre älter war als sie.
    Unter den misstrauischen Blicken der Frauen wusch sie sich Hände und Arme.
    Schnell war ihr klar geworden, dass Wulfhart auch diesmalvergeblich auf einen Erben hoffte. Das Kind kam viel zu früh. Wahrscheinlich war es bereits tot. Verdorbenes Fruchtwasser hatte das Laken verfärbt.
    Doch sie sagte Irmhild vorerst nichts davon, um sie nicht noch mehr zu ängstigen. Dass sie wieder keinen Erben zur Welt brachte, würde der jungen Frau nur neue Schläge einbringen. Vielleicht verstieß Wulfhart sie auch und schickte sie in ein Kloster. Aber vermutlich würde Irmhild lieber dort leben als weiterhin ihrem gewalttätigen Mann ausgeliefert zu sein.
    Wie sie sich allerdings selbst vor dessen Zorn retten sollte, davon hatte Marthe keine Ahnung.
     
    Es würde noch mindestens einen halben Tag dauern, bis das Kind kam. Die Frauen in Irmhilds Kammer – ein paar ältere Gevatterinnen, die Marthe nicht kannte, die Kammermägde und die Frau des Burgverwalters – genossen das Ereignis mit der dafür üblichen Mischung aus Aufregung, Sorge und Mitgefühl. Eine Geburt bedeutete eine willkommene Abwechslung im eintönigen Leben der Frauen. Nur die Frau des Verwalters betrachtete Irmhild in unbeobachteten Momenten mit offenkundiger Häme. Bald kam auch die Amme, die so unplanmäßig früh aufgetrieben werden musste, und setzte sich stumm in eine Ecke.
    Marthe machte der Kreißenden Umschläge aus Frauenmantelkraut und Gundelrebe, rieb ihr sanft Rücken, Bauch und Schenkel und sprach ihr immer wieder Mut zu.
    »Es kommt zu früh, nicht wahr?«, flüsterte die Burgfrau zwischen den Wehen. »Dabei habe ich doch alles getan, was möglich war. Immer wieder gebetet und das hier getragen.«
    Mit fahriger Bewegung holte sie einen Beutel unter dem Kissen hervor. »Die Kranichkralle hat mir meine Mutter für eine leichte Entbindung vererbt. Und die Maulwurfspfote sollGlück bringen und den künftigen Erben schützen. Ein sehr heiliger Mann hat sie mir verkauft.«
    Marthe erinnerte sich noch genau an den Händler, der im vorigen Sommer durchs Dorf
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