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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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kurz auf den Wald zu, wendeten dann und ritten ins Dorf.Von dem Versteck aus konnte das Mädchen hören, wie Ludolf brüllte: »Wer hat die junge Wehmutter gesehen?«
    Starr vor Angst wartete Marthe, was geschehen würde. Doch die Antworten der Dorfbewohner schienen nicht nach Ludolfs Geschmack auszufallen. Er versetzte einer alten Frau, die ängstlich den Kopf geschüttelt hatte, einen Schlag mit der Faust, so dass sie in den Schlamm stürzte. Dann ritten die beiden Reisigen davon.
    Marthe wusste nun, woran sie war. Im Schutz der Bäume bewegte sie sich vorsichtig in Richtung ihrer Kate. Oswald und Ludolf würden bestimmt dort auf sie lauern.
    Ob Pater Johannes noch da war?
    Sie war sicher, dass ihre Ziehmutter nicht mehr lebte. Irgendwann während ihrer Bemühungen um Irmhild hatte diese Gewissheit plötzlich ihr Innerstes durchflutet. Doch nach einem Schreckensmoment hatte sie diesem Gefühl nicht nachgegeben und sich wieder auf die Gebärende konzentriert. Trauern konnte sie erst später.
    Marthe kam auf dem vor Nässe rutschigen Boden nur langsam voran. Außerdem durfte sie nicht gesehen werden. Vielleicht würden die Dorfbewohner sie nicht verraten, doch sie wollte niemanden in Gefahr bringen. Und sie musste damit rechnen, dass die Reiter zurückkehrten.
     
    Auf halbem Weg sah sie Itta, die Frau des Alten, den Ludolf zu Pater Johannes geschickt hatte. Als sie sich ihr in der Hoffnung auf Neuigkeiten zeigte, hastete Itta ihr entgegen und krallte die Hand in ihre Schulter.
    »Du darfst nicht weiter. Sie brennen eure Kate nieder«, stieß sie hervor. Marthe starrte sie entsetzt an.
    Schwer atmend berichtete Itta. Als sie von ihrem Mann gehört hatte, dass Fine im Sterben lag und Marthe von Oswald auf dieBurg gebracht wurde, war sie aufgebrochen, um selbst nach der weisen Frau zu sehen. Sie hatte Fines Hand gehalten, bis Pater Johannes kam und die Sterbesakramente erteilte.
    Doch wenig später waren der Narbengesichtige und Ludolf gekommen, hatten den Priester aus dem Haus geschickt, Itta beiseite gestoßen und alles in der Kate kurz und klein gehauen. »Weil sie dich nicht fanden, schlugen sie auch noch auf die Tote ein, Gott strafe sie für diese Missetat«, ächzte Itta und bekreuzigte sich schaudernd. »Dann haben sie eure Kate angezündet. Geh nicht weiter, sie sind bestimmt noch dort.« Sie zögerte kurz. »Wir könnten dich bei uns verstecken.«
    Doch Marthe spürte Ittas Angst.
    »Ich kann nicht ins Dorf. Sie werden nach mir suchen.«
    Die Alte verbarg kaum die Erleichterung darüber, dass ihr halbherzig gemachtes Angebot nicht angenommen wurde.
    »Was wirst du tun?«, fragte sie.
    »Ich weiß es nicht … Mich verstecken. Wünsch mir Glück.« Itta umarmte sie heftig. »Gott segne dich!«
    Dann drehte sie sich um und lief Richtung Dorf.
    Marthe aber konnte nicht anders. Was sie erfahren hatte, war so ungeheuerlich, dass sie es trotz ihrer Furcht mit eigenen Augen sehen musste.
    Vorsichtig und mit zittrigen Beinen schlich sie Richtung Kate.
     
    Von weitem schon roch sie den Rauch, dann hörte sie ein lautes Krachen und Prasseln. Vor dem dichten Buschwerk in der Nähe ihrer Hütte hielt das Mädchen inne.
    »Wenn wir schon die Hexe nicht verbrennen können, dann wenigstens ihr Haus«, ertönte Oswalds Stimme.
    Vorsichtig zwängte sie ihren Kopf noch ein Stück weiter durch die Äste.
    Der Anblick ließ ihren Atem stocken. Die Hütte stand lichterloh in Flammen. Ein paar verkohlte Dachbalken stürzten gerade in das Innere der brennenden Kate, aber das Poltern war in dem Fauchen und Funkengeprassel kaum zu hören. Oswald und Ludolf genossen den Anblick lachend aus sicherem Abstand auf ihren unruhig tänzelnden Pferden.
    Marthe unterdrückte mühsam den Impuls, zur Kate zu rennen und den Leichnam herauszuziehen. Wenn Fine verbrannte, konnte sie nicht auferstehen am Tag des Jüngsten Gerichts!
    Doch sie konnte nichts tun. Oswald und Ludolf würden sie töten – das war alles, was geschehen würde, wenn sie jetzt aus ihrem Versteck lief.
    Wie gebannt starrte sie auf die Flammen, während sich das schaurige Bild in ihr festbrannte. Zum zweiten Mal sah sie ihr Zuhause in Feuer aufgehen, ohne etwas davon retten zu können – nicht die kargen Vorräte, die ihnen nach dem strengen Winter noch geblieben waren, nicht die getrockneten Bündel Heilpflanzen unter dem Dach, die sorgsam zubereiteten Salben und Tinkturen.
    Zum zweiten Mal hatte sie die Mutter verloren.
     
    Ich kann hier nicht bleiben! Hämmernd jagte
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