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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk
Autoren: Barbara Vine
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Rendezvous machen konnte, musste sie warten, bis der Fundraiser zurück war, denn jemand musste bei dem kleinen Justin bleiben. Ein andermal erzählte mir Ivor, dass er und Hebe mehr Telefonsex als richtigen Sex hatten, genau genommen täglich, doch selbst den »sabotierte« der Zweijährige (die martialische Wortwahl eines persönlichen Referenten im Verteidigungsministerium), indem er lautstark »Mummy nicht reden, Mummy nicht reden!« dazwischenkrähte.
    Ich hatte, wie gesagt, nicht lange überlegt, ihm unser Haus zu überlassen, aber hieß ich Ivors Vorhaben auch gut? Iris tat es entschieden nicht und sagte ihm das auch. Ich bemühte mich, seine Haltung nicht zu werten. Was ich empfand, waren nicht so sehr moralische Bedenken als ein fast körperlicher Widerwille. Mir wurde flau bei der Vorstellung, dass dieses Mädchen, ja diese junge Mutter – ich hätte nicht sagen können, warum das die Sache schlimmer machte – in einem von Ivor bezahlten Taxi zu ihrem Mann zurückfuhr und ihn mit Geschichten über den Film täuschte, den sie angeblich gesehen, oder das Essen, zu dem sie sich angeblich mit einer Freundin getroffen hatte, und dass sie innerhalb weniger Stunden vielleicht erst mit Ivor und dann mit ihrem Mann schlief. Ich verstand es nicht. Ich verstand nicht, was sie daran fanden. Ich hätte es noch weniger verstanden, hätte ich damals geahnt, was die beiden trieben, hätte ich von ihren Vergnügungen und Verkleidungen und Rollenspielen gewusst. Iris, die es verstand, aber nicht billigte, erklärte mir oder versuchte mir zu erklären, Hebe und Ivor hätten sich gewissermaßen gesucht und gefunden, zwei Menschen mit denselben Neigungen, derselben fiebrigen Lebensgier. Liebe? Wohl kaum. Ich weiß nur, dass es von dem, was Iris und ich füreinander empfanden, weltenweit entfernt war.
     
    Fast das ganze 19. Jahrhundert hindurch war das Dorf Morningford von einem Tesham im Parlament vertreten worden. Dann waren lange Zeit die Liberalen am Ruder, bis 1959 – Ivor war zwei – sein Großvater den Sitz eroberte, den er dann bis 1974 innehatte. Dessen Nachfolger starb auf dem Parteitag der Konservativen im Jahre 1987, Ivor kandidierte in der dadurch erforderlichen Nachwahl und errang den Sitz mit einer Mehrheit von gerade mal neuntausend Stimmen. Da war er einunddreißig, ein ungewöhnlich junger und sehr ehrgeiziger Abgeordneter. Als früherer Präsident der Oxford Union war er rhetorisch geschult, hielt eine denkwürdige Jungfernrede und hätte bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Wort ergriffen, hätte Sandy Caxton ihm nicht abgeraten. Parlamentarier nehmen ein Übermaß an Beredsamkeit nicht immer wohlwollend zur Kenntnis.
    1989 wurde er persönlicher Referent des Verteidigungsministers und hatte damit den Fuß auf der untersten Sprosse der politischen Karriereleiter. Mit Glück und Fleiß führte der nächste Schritt zum Fraktionsführer und von da zu Staatssekretärs- und Staatsministerposten. Ivor spielte seine Funktionen eher herunter, wie man das von Leuten in seiner Position kennt, und behauptete, es sei reine Kärrnerarbeit, bestehend aus Botengängen und der Terminkalenderbetreuung für den Minister, aber man merkte, wie sehr die Ernennung ihn freute.
    Die Medien waren noch nicht ganz so aufdringlich oder brutal wie heute, hatten aber schon damals ein wachsames Auge auf junge Hoffnungsträger, besonders bei den Konservativen. Es hatte Korruptionsaffären und unappetitliche Skandale gegeben. Margaret Thatcher war schon lange Premierministerin, und wie immer, wenn eine Amtszeit zu lange währt, munkelte man von Coups und Verschwörungen und Rebellionen. Aber wie gesagt – ich kenne mich nicht aus in der Politik, was ich hier schildere, ist die Geschichte eines Aufstiegs und eines Falls.
     
    Einige Wochen nach seiner Geburtstagsfeier lud Ivor mich zum Essen in den Churchill Room ein, der im Erdgeschoss des Unterhauses von dem Gang abgeht, der zur Terrasse führt. Wir würden unter uns sein, sagte er, er wolle mit mir über eine Sache sprechen, die nichts mit Politik oder dem Unterhaus zu tun habe. Es stellte sich heraus, dass er mich um einen Rat in Sachen Hebe Furnal bitten wollte.
    Er hatte sich, wie gesagt, dagegen entschieden, ihr eine Wohnung zu kaufen, so dass ihre heimlichen Treffen weiter auf die gewohnte unbefriedigende Art und Weise abliefen. Dass er sich unser Haus erbeten hatte, lag nun schon einige Monate zurück, und als er jetzt wieder davon anfing, fürchtete ich fast, er würde
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