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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar
Autoren: Patricia Cornwell
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Sweatshirt ihrer Tochter in der Hand. Und plötzlich hatte ich auch die anderen Eltern vor Augen. Also legte ich den Hörer wieder auf, schloß die Haustür ab und stieg in meinen Wagen.
    Menschen, die im Dienst der Öffentlichkeit stehen, können ihre Privatsphäre nur sichern, wenn sie über Vermögen verfügen. Dies war hier offensichtlich gegeben: Die Harveys wohnten in der Nähe von Windsor über dem James River- in einem schloßähnlichen Bau im Stil der Jefferson-Ära. Ich schätzte das Anwesen auf mindestens fünf Morgen. Es war von einer hohen Ziegelmauer umgeben, an der in regelmäßigen Abständen Schilder mit der Aufschrift »Privatbesitz« angebracht waren. Als ich in die lange, von Bäumen beschattete Zufahrt einbog, wurde ich von einem massiven schmiedeeisemen Gitter aufgehalten, das sich jedoch elektronisch gesteuert öffnete, bevor ich mein Fenster herunterkurbeln konnte, um die Sprechanlage zu betätigen - und kaum hatte ich es hinter mir gelassen, schloß es sich lautlos wieder. Ich parkte vor einem römischen Portikus neben einem schwarzen Jaguar. Die Säulen hatten keine Kehlung, waren aus roten Ziegeln und mit Weiß abgesetzt.
    Als ich ausstieg, ging die Haustür auf, und Pat Harvey erschien. Sie trocknete sich die Hände an einem Geschirrhandtuch ab und lächelte mich tapfer an. Ihr Gesicht war blaß, die glanzlosen Augen ließen erkennen, daß sie zwei Nächte kaum geschlafen hatte.
    »Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind, Dr. Scarpetta. Bitte treten Sie doch ein.«
    Die Halle war riesig. Ich folgte der Hausherrin durch einen Empfangssalon, dessen Einrichtung aus dem achtzehnten Jahrhundert stammte. Der Boden war mit Orientteppichen bedeckt, an den Wänden hingen echte Impressionisten, und neben dem Kamin stand ein kunstvoll aufgeschichteter Stoß Buchenscheite. Die Küche war funktionell, aber gemütlich.
    »Jason und Michael sind mit ihrem Vater draußen«, erklärte Mrs. Harvey. »Sie kamen heute früh zurück.«
    »Wie alt sind die beiden?« fragte ich.
    »Jason ist sechzehn, Michael vierzehn. Debbie ist unsere Älteste.«
    Sie schaltete den Backofen aus, zog Topfhandschuhe an, holte eine Quiche aus dem Rohr und stellte die Form auf eine Kochplatte. Ihre Hände zitterten, als sie ein Messer und eine Kuchenschaufel aus einer Schublade nahm.
    »Möchten Sie Wein, Tee oder Kaffee? Es ist nur ein ganz leichtes Essen. Zum Nachtisch habe ich einen Obstsalat gemacht. Ich dachte, wir setzen uns auf die Veranda. Ist Ihnen das recht?«
    »Sehr«, erwiderte ich. »Und ich entscheide mich für Kaffee.«
    Sie füllte Wasser in die Maschine und Kaffeepulver in den Filter. Ich musterte sie verstohlen - eine verzweifelte Frau, die es sich nicht gestattete, ihre Verzweiflung zu zeigen.
    Als wir vor den offenen Glasschiebetüren auf der Veranda saßen und auf den Fluß hinunterschauten, der sich wie ein glitzerndes Band durch die sonnenüberflutete Landschaft zog, kam sie zum Thema: »Haben Sie eine Erklärung für die Reaktion des einen Hundes?«
    Ich hatte eine - aber die wollte ich ihr nicht sagen.
    »Offensichtlich hat sich nur er erschreckt - der andere nicht.« Es war eher eine Frage als eine Feststellung.
    Tatsächlich hatte Salty sich völlig anders verhalten als Neptune: Nachdem er den Fahrersitz abgeschnuppert hatte, zog Gail ihn am Geschirr zurück, hakte die Leine darin fest und kommandierte: »Such!« Der Hund schnüffelte die Ausfahrt entlang, zerrte Gail über den Parkplatz zur Interstate und hätte sich in seinem Eifer kopfüber in den Verkehr gestürzt, wenn Gail nicht »bei Fuß!« geschrien hätte. Ich beobachtete, wie die beiden an dem bepflanzten Grünstreifen entlanggingen, der die Fahrbahnen in Richtung Westen von denen in Richtung Osten trennte, und dann auf den Rastplatz zusteuerten, der gegenüber von dem lag, auf dem Deborahs Jeep gefunden worden war. Und dort drüben - auf dem Parkplatz - verlor der Hund die Witterung.
    »Ist daraus zu schließen, daß, wer immer Debbies Cherokee als letzter fuhr und auf dem Rastplatz in Richtung Westen abstellte, die Interstate überquerte und auf dem gegenüberliegenden Parkplatz einen Wagen stehen hatte, mit dem er dann wegfuhr?«
    »Das ist eine Möglichkeit.«
    Die Quiche duftete herrlich, doch ich hatte keinen Appetit.
    »Welche gibt es sonst noch, Dr. Scarpetta?«
    »Fest steht nur, daß der Hund eine Witterung aufgenommen hat - von was oder wem, weiß ich nicht. Es kann Deborahs Geruch gewesen sein, Freds oder der einer
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