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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman
Autoren: Doris Lessing
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waren nicht allein sie oder das Baby gemeint, sondern das Glück. Ihres und seines.
    Zu Ostern veranstalteten sie ihr erstes Familienfest. Alle Zimmer waren bescheiden, aber ausreichend möbliert, und nun füllten sie sich mit Harriets zwei Schwestern Sarah und Angela nebst Ehemännern und Kindern; Dorothy war natürlich auch da und ganz in ihrem Element, und auch Molly und Frederick kamen auf eine Stippvisite und taten, als ob sie sich amüsierten – aber Familienleben in solchen Ausmaßen war nichts für sie.
    Kenner der englischen Verhältnisse werden mittlerweile bemerkt haben, dass Harriet nach dem allmächtigen, wenn auch nirgends verzeichneten Maßstab des dortigen Klassensystems erheblich niedriger rangierte als David. Sobald irgendwelche Lovatts oder Burkes mit den Walkers zusammentrafen, wurde diese Tatsache innerhalb von fünf Sekunden deutlich, aber nicht weiter kommentiert – wenigstens nicht mit Worten. Die Walkers waren nicht überrascht, als Frederick und Molly sagten, sie könnten nur für zwei Tage bleiben, und ebenso wenig über ihren Sinneswandel, als James Lovatt auftauchte. Wie viele ehemalige Paare, die sich wegen Unvereinbarkeit der Charaktere haben scheiden lassen, genossen Molly und James ein Wiedersehen durchaus, solange sie wussten, dass sie sich in Kürze wieder trennen durften. Tatsächlich genossen so alle das Familientreffen und waren sich einig, dass das Haus wie gemacht dafür war. Man saß um den großen Familientisch, um den so viele Stühle passten, bei langen, gemütlichen Mahlzeiten, und auch zwischendurch fand man sich zwanglos dort ein, um Kaffee oder Tee zu trinken und zu reden. Und zu lachen … Wenn Harriet und David dieses Lachen, die Stimmen, die Gespräche, den Lärm spielender Kinder hörten, vielleicht noch vom Schlafzimmer aus oder während sie die Treppe herunterkamen, drückten sie einander lächelnd die Hände und atmeten tief auf vor Glück. Niemand wusste, nicht einmal Dorothy – die am wenigsten –, dass Harriet schon wieder schwanger war. Luke war drei Monate alt. Sie hatten diese Schwangerschaft nicht beabsichtigt und eigentlich ein Jahr pausieren wollen. Aber nun war es passiert. »Ich könnte darauf schwören, dass über diesem Zimmer ein Fruchtbarkeitszauber hängt«, sagte David lachend. Sie fühlten sich angenehm schuldig. Sie lagen in ihrem Bett, horchten auf Lukes leise Babygeräusche nebenan und beschlossen, kein Wort zu sagen, bevor alle Gäste aus dem Haus waren.
    Als Dorothy es erfuhr, wurde sie wieder sehr still, und dann fragte sie: »Tja, dann werdet ihr mich wohl brauchen?«
    Allerdings. Die Schwangerschaft verlief zwar normal, wie die erste, aber Harriet hatte mit so viel Übelkeit und Unwohlsein zu kämpfen, dass sie, obwohl sie nicht im Geringsten von ihrem Plan abwich, sechs (oder acht oder zehn) Kinder zu bekommen, sich im Stillen vornahm, diesmal bestimmt für eine angemessene Pause zwischen dem zweiten und dritten zu sorgen.
    Dorothy machte sich für den Rest des Jahres auf angenehme Weise im Haushalt nützlich, half den kleinen Luke zu versorgen und nähte Vorhänge für die Mansardenzimmer.
    Zu Weihnachten war Harriet wieder im achten Monat und unförmig dick, und sie lachte selbst über ihren Umfang und ihre Schwerfälligkeit. Sie hatten ein volles Haus; alle Gäste, die Ostern da gewesen waren, kamen auch jetzt. Es hatte sich herumgesprochen, dass Harriet und David für solche Familienfeste besonders begabt waren. Eine Cousine Harriets rückte mit ihren drei Kindern an, weil sie Wunderdinge von der vergangenen Osterwoche gehört hatte. Ein Kollege Davids kam mit seiner Frau. Diese Weihnachten dauerten zehn Tage, und ein Festmahl jagte das andere. Luke war in seinem Wägelchen im Familienzimmer unten, jedermann machte viel Aufhebens um ihn, und die Kinder schleppten ihn herum wie eine Puppe. Auch Davids Schwester Deborah kam kurz zu Besuch, ein kühles, apartes Mädchen, das ebenso gut eine Tochter Jessicas wie Mollys hätte sein können. Sie war nicht verheiratet, obwohl sie, wie sie es umschrieb, ein paarmal »nahe daran« gewesen war. Ihr ganzer Stil war dem aller anderen, die im Hause waren, alle im Prinzip sehr britisch, derart fern, dass diese auffallenden Unterschiede zum ständigen Anlass für Witzeleien wurden. Deborah hatte immer das Leben der Reichen gelebt, die hochgeistige Schäbigkeit ihres eigentlichen Elternhauses entsetzlich gefunden und enges Zusammenrücken gehasst, aber sie gab zu, dass sie diese Party ganz
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