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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman
Autoren: Doris Lessing
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die ihr Tun beurteilten, alberner und überspannter denn je – und viel zu jung. Molly und Frederick sahen groß, breit und unordentlich aus, beide mit fülligem grauem Haar, und sie zeigten mit ihrer lässigen Kleidung, dass sie sich keinen Deut um die Mode scherten. Sie glichen zwei wohlwollenden Heubündeln, aber die Art, wie sie einander nicht ansahen, war David nur zu gut bekannt.
    »Nun mal los«, sagte er krampfhaft lustig, als er es nicht mehr ertrug, »ihr könnt ruhig sagen, was ihr denkt.« Damit legte er einen Arm um Harriet, die blass und überanstrengt aussah, erstens wegen der Morgenübelkeit, die sie seit einiger Zeit plagte, und zweitens, weil sie eine ganze Woche mit Fußbodenschrubben und Fensterputzen verbracht hatte.
    »Wollt ihr ein Hotel aufmachen?«, erkundigte sich Frederick sachlich. Er war entschlossen, keine Kritik zu üben.
    »Wie viele Kinder wollt ihr euch denn zulegen?«, fragte Molly mit einem kurzen Lachen, das andeutete, Proteste hätten hier ja doch keinen Zweck mehr.
    »Viele«, sagte David leise.
    »Ja«, sagte Harriet. »Ja.« Ihr war im Gegensatz zu David nicht bewusst, wie sehr sie dieses Elternpaar schockierten. Molly und Frederick gaben sich, wie in ihren Kreisen üblich, gern den Anschein des Nonkonformismus, aber im Grunde waren sie stockkonservativ und missbilligten alles, was sie für übertrieben bis ausschweifend hielten. Dieses Haus gehörte dazu.
    »Kommt, wir laden euch zum Essen ein, falls es hier ein ordentliches Lokal gibt«, sagte Davids Mutter.
    Während des Essens sprachen sie von anderen Dingen.
    Erst beim Kaffee ließ Molly die Bemerkung fallen: »Es ist dir doch wohl klar, David, dass du deinen Vater um Hilfe bitten musst?«
    David zuckte schmerzlich zusammen, aber er musste sich den Tatsachen stellen: Jetzt ging es einzig um das Haus und das Leben, das sie darin führen wollten. Ein Leben – beide Eltern sahen es seiner verbissenen Miene an, die sie für unreif und überheblich hielten –, das alles annullierte, erledigte, ausstrich, was ihr Leben, Mollys und Fredericks, hatte vermissen lassen, und das galt auch für das von James und Jessica Lovatt.
    Als sie sich auf dem dunklen Parkplatz des Hotels trennten, sagte Frederick: »Meiner Meinung nach seid ihr beide verrückt. Na schön, sagen wir, auf dem falschen Dampfer.«
    »Ja«, sagte Molly. »Ihr habt es euch nicht richtig überlegt. Kinder … Wer noch keine gehabt hat, weiß nicht, wie viel Arbeit sie machen.«
    Hier musste David lachen und machte damit einen Punkt gut, und zwar einen altbekannten, wie Molly mit einem kleinen schuldbewussten Lächeln zugab. »Du bist eben keine mütterliche Natur«, sagte David. »Bist es nie gewesen. Aber Harriet ist eine.«
    »Wie du meinst«, erwiderte Molly. »Es ist euer Leben.«
    Später rief sie James an, ihren ersten Mann, der sich gerade auf einer Jacht in der Nähe der Isle of Wight befand. Sie beendete das Gespräch mit dem Satz: »Am besten kommst du her und siehst es dir selbst an.«
    »Wird gemacht, ich habe verstanden«, sagte er und meinte damit sowohl das Gesagte als auch das Ungesagte. Sein Unvermögen, das, was seine frühere Frau unausgesprochen ließ, zu verstehen, war der Hauptgrund dafür, dass er sie so bereitwillig verlassen hatte.
    Bald nach diesem Gespräch machten David und Harriet abermals eine Hausbesichtigung, diesmal mit James und Jessica. Sie standen zu viert draußen auf dem Rasen, der noch mit den Überbleibseln des Winters und der Frühlingsstürme bedeckt war, und betrachteten kritisch die Fassade. Jessica fand das Haus düster und abscheulich, wie England überhaupt. Sie war im gleichen Alter wie Molly, sah aber zwanzig Jahre jünger aus, schlank, braun gebrannt und, wie es schien, immer sonnenölglänzend, selbst wenn sie gar keins auf der Haut hatte. Ihr kurzes, weizenblondes Haar leuchtete, und immer trug sie frische Farben. Während sie den Absatz eines ihrer jadegrünen Schuhe in den Rasen bohrte, blickte sie fragend auf ihren Mann.
    James hatte sich das Haus schon von innen angesehen, und nun sagte er, ganz wie David es erwartet hatte: »Es ist eine gute Kapitalanlage.«
    »Ja«, sagte David.
    »Und nicht zu teuer. Vermutlich, weil es den meisten Leuten zu groß ist. Ich setze voraus, dass der Inspektionsbericht in Ordnung war?«
    »Ja«, sagte David wieder.
    »In diesem Fall werde ich die Hypothekenschuld übernehmen. Wie lang ist der Abzahlungszeitraum?«
    »Dreißig Jahre«, sagte David.
    »Bis dahin bin ich
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