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Das fünfte Kind. Roman

Das fünfte Kind. Roman

Titel: Das fünfte Kind. Roman
Autoren: Doris Lessing
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wahrscheinlich tot. Na ja, ich habe euch ja nichts Rechtes zur Hochzeit geschenkt.«
    »Du wirst Deborah auch so viel geben müssen«, bemerkte Jessica.
    »Wir haben in all den Jahren schon sehr viel mehr für Deborah getan als für David«, erwiderte James. »Außerdem können wir es uns ja leisten.«
    Jessica lachte und zuckte die Achseln. Es handelte sich in der Hauptsache um ihr Geld. Diese Leichtigkeit in Geldangelegenheiten kennzeichnete ihr gemeinsames Leben, das David innerlich ablehnte und dem er die Knauserigkeit des Oxforder Haushalts vorzog, obwohl er diesen Gedanken nie laut ausgesprochen hätte. Das Leben der Reichen bestand für ihn aus Geltungssucht und Oberflächlichkeit, aber nun war er drauf und dran, sich ihnen zu verpflichten.
    »Und wie viele Kinder habt ihr eingeplant, wenn man fragen darf?«, forschte Jessica. Sie ähnelte einem schlanken Wellensittich, der sich auf den feuchten Rasen vor Harriets und Davids Haus verirrt hatte.
    »Viele«, sagte David.
    »Viele«, sagte Harriet.
    »Na, besser ihr als ich«, sagte Jessica, und damit verließ Davids anderes Elternpaar den Garten und bald darauf England, beides mit Erleichterung.
    In den nächsten Monaten betrat Harriets Mutter Dorothy die Szene. Weder Harriet noch David fiel es auch nur im Traum ein, zu sagen oder zu denken: »Oh Gott, wie grässlich, dauernd die Schwiegermutter auf dem Hals zu haben.« Denn aus ihrem Wunsch nach einer großen Familie folgte logischerweise, dass Dorothy immer zur Stelle sein würde, um ihrer Tochter zu helfen, auch wenn sie gelegentlich auf ihr Eigenleben pochen sollte. Dorothy war Witwe, und ihr Eigenleben bestand hauptsächlich darin, ihre drei Töchter reihum zu besuchen. Das alte Elternhaus war verkauft, und sie hatte nun eine kleine, nicht besonders hübsche Wohnung. Doch war es nicht ihre Art, sich zu beklagen. Als ihr die Größe und die Möglichkeiten des neuen Hauses aufgegangen waren, blieb sie einige Tage lang schweigsamer als gewöhnlich. Es war ihr nicht leichtgefallen, drei Töchter großzuziehen. Ihr Mann war Industriechemiker gewesen und hatte nicht schlecht verdient, aber viel hatten sie nie zurücklegen können. Dorothy wusste, was eine Familie kostete, selbst eine kleine.
    Sie versuchte ein paar Andeutungen in dieser Hinsicht zu machen, als sie eines Abends zu dritt beim Essen saßen: David, Harriet, Dorothy. David war gerade erst nach Hause gekommen, der Zug hatte Verspätung gehabt. Die Fahrten von und nach London waren kein Vergnügen, genauer gesagt, eine Belastung für alle, besonders natürlich für David, denn er brauchte zweimal täglich fast zwei Stunden, um zur Arbeit und zurück zu kommen. Das würde einer seiner Beiträge zur Erfüllung ihres Traums werden.
    Die Küche war inzwischen schon fast so, wie sie sein sollte. Um den riesigen Tisch standen schwere Holzstühle, vorläufig nur vier, aber ein Dutzend weitere stand an den Wänden aufgereiht und wartete auf Gäste und noch Ungeborene. Dazu gab es einen großen Herd und eine altmodische Anrichte mit Haken, an denen kleine und große Tassen hingen. Auf dem Tisch und der niedrigen Trennwand standen Krüge mit Blumen aus dem eigenen Garten; der Sommer hatte eine Fülle von Rosen und Lilien mit sich gebracht. Sie aßen einen Pudding, den Dorothy zubereitet hatte. Draußen meldete sich der Herbst mit fliegenden Blättern, die im aufkommenden Wind von Zeit zu Zeit an die Fensterscheiben klopften. Aber die Vorhänge waren schon zugezogen, warme, dicke, geblümte Vorhänge.
    »Hört mal zu«, sagte Dorothy. »Ich habe mir über euch Gedanken gemacht.«
    David legte höflich seinen Löffel hin, was er bei einer Ansprache seiner eigenen weltfremden Mutter oder seines weltmännischen Vaters nie getan hätte.
    »Ich finde, ihr beide solltet nicht alles so überstürzen … Nein, lasst mich ausreden. Harriet ist erst vierundzwanzig, noch nicht mal fünfundzwanzig. Und du bist erst dreißig, David. Ihr marschiert drauflos, als dächtet ihr, wenn ihr nicht alles sofort anpacktet, ginge es euch verloren. Den Eindruck habe ich jedenfalls, sooft ich euch reden höre.«
    David und Harriet hörten zu. Ihre Blicke trafen sich, und sie zogen nachdenklich die Brauen zusammen. Dorothy, diese stattliche, gutmütige, aber energische Frau mit ihrer wohlüberlegten Handlungsweise, war nicht zu ignorieren; man musste ihr die gebührende Anerkennung schenken.
    »Ich denke nun mal so«, sagte Harriet.
    »Ja, Kind, ich weiß. Erst gestern habt ihr wieder
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