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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium
Autoren: Viktor Pelewin
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Vampirberechtigung!«
    »Mit Prüfungen sieht es bei mir mau aus«, sagte ich. »Da rausche ich immer durch.«
    »Versuche nicht einzustehen für das, was das System verbockt hat. Du hast einen sehr guten Aufsatz geschrieben, frisch und aufrichtig. Er lässt sogar auf eine gewisse literarische Begabung schließen. Auf dem Fuji waren andere Schnecken gefragt, daran lags.«
    »Hast du mich etwa gebissen?«
    Er nickte und fuhr mit der Hand in die Jackentasche, holte ein schmales Glasröhrchen hervor: ungefähr Zigarettenlänge, beidseitig mit Plastikstöpseln verschlossen. Ein paar Tropfen Blut waren darin.
    »Das ist deine Personalakte. Da werden noch ein paar andere Einblick nehmen. Unsere Vorgesetzten!«
    Dabei schaute er vielsagend zur Decke.
    »Jetzt noch zu ein paar lebenstechnischen Dingen. Im Sekretär liegt Geld, das könntest du brauchen. Essen wird vom Restaurant unten gebracht. Die Haushaltshilfe kommt zweimal die Woche putzen. Wenn etwas fehlt, dann kauf es.«
    »Soll ich mit der Visage auf die Straße gehen?«, fragte ich, auf mein Spiegelbild deutend.
    »Das vergeht schnell. Ich kümmere mich darum, dass dir das Nötigste schon mal gebracht wird. Schuhe, Klamotten und so.«
    »Willst du die Größe wissen?«
    »Weiß ich doch!«, sagte er und schnalzte mit der Zunge.

ENLIL

    Als Kind war ich an Wundern interessiert. Wahrscheinlich hätte ich nichts dagegen gehabt, ein fliegender tibetischer Yogi zu sein wie Milarepa oder ein Zauberlehrling wie Carlos Castaneda und Harry Potter. Auch mit etwas einfacheren Missionen hätte ich mich einverstanden erklärt: Kosmosheld werden, einen neuen Planeten entdecken oder einen von diesen großen Romanen verfassen, die das menschliche Herz erschüttern und die Kritiker zum Zähneknirschen veranlassen und zum Dreckschleudern vom Grunde ihrer Gruben.
    Aber Vampir? Blutsauger? ...
    Nachts träumte ich schlecht. Ich sah meine Bekannten, wie sie sich grämten über mein Malheur und bedauerten, dass sie mir nicht hatten helfen können. Gegen Morgen träumte ich von meiner Mutter. Sie war traurig und zärtlich zugleich - so wie ich sie im wirklichen Leben seit Langem nicht mehr erlebt hatte. »Romännchen, Liebes!«, flüsterte sie, ein Taschentuch mit dem Wappen derer von Storkwinkel vor ihre Augen gepresst, »meine Seele hing über deinem Bettchen und hütete deinen Schlaf! Aber dann hast du mich mit Sekundenkleber angeklebt, da konnte ich nichts mehr für dich tun!«
    Ich hätte nicht gewusst, was antworten, aber die Zunge sprang mir bei, die diesen Träumen genauso aufmerksam folgte wie ich (und sowieso zwischen Traum und Wirklichkeit wenig Unterschiede machte):
    »Tut mir leid, aber Sie sind gar nicht seine Mama«, sagte sie mit meiner Stimme, »seine Mama hätte ihm vorgehalten, dass er den Kleber schnüffelt.«
    Danach wurde ich wach.
    Ich lag in einem riesigen Bett unter reich besticktem braungoldenem Himmel. Gardinen von gleichem Braungold ließen kaum Licht herein; die Einrichtung des Zimmers war, was man heutzutage gothic nennt. Auf einem Schemel neben dem Bett stand ein Telefonapparat mit schwarzem Ebonitgummigehäuse, den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nachempfunden.
    Ich erhob mich und schlurfte ins Bad.
    Als ich mich im Spiegel sah, fuhr ich erschrocken zurück. Um die Augen waren schwarzlila Blutergüsse, die das halbe Gesicht einnahmen, so wie man es von Gehirnerschütterungen kennt. Sie waren gestern noch nicht da gewesen und sahen scheußlich aus. Aber alles Übrige ging schon wieder. Das Blut hatte ich noch am Vorabend abgewaschen; am Hals unterhalb des Jochbeins war nur ein kleines schwarz verkrustetes Löchlein geblieben wie von einem durch die Haut gedrungenen Nagel. Es blutete nicht, tat auch nicht weh -man musste sich wundern, dass so eine kleine Wunde einen derart glühenden Schmerz verursacht haben konnte.
    Mein Mund sah aus wie früher - nur dass der leicht angeschwollene Gaumen einen dicken orangenen Belag trug. Die Gegend, wo er sich ausbreitete, fühlte sich etwas taub an. In den frischen Zahnlücken verspürte ich ein dumpfes Ziehen - und o Wunder, in den schwarzen Kratern waren schon die zuckerweißen Spitzen der neuen Zähne zu sehen -sie wuchsen in unglaublichem Tempo.
    Die Kugel in meinem Inneren war noch da, doch sie beunruhigte mich nicht mehr. Über Nacht hatte ich mich schon beinahe daran gewöhnt. Eine ergebene Entrücktheit hatte sich meiner bemächtigt - so als wäre das alles nicht mir, sondern einem anderen passiert,
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