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Das Foucaultsche Pendel

Das Foucaultsche Pendel

Titel: Das Foucaultsche Pendel
Autoren: Umberto Eco
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von selber heraus, sauber wie nach einer chemischen Reinigung, nur da und dort hängt noch ein fettes weißes Fruchtfleischwürmchen mit einem Atom daran. Man kann sie essen, fast ohne die Samthaut zu spüren, die einen von der Zunge bis in die Lenden erschauern lässt. Einst weideten dort die Dinosaurier. Dann hat eine andere Oberfläche die ihre bedeckt. Und doch, wie Belbo in dem Augenblick, als er die Trompete blies: wenn ich in die Pfirsiche biss, verstand ich das Reich und war ganz mit ihm eins. Der Rest ist nur Cleverness. Erfinde, erfinde den Großen Plan, Casaubon. Das ist es, was alle getan haben, um die Dinosaurier und die Pfirsiche zu erklären.
    Ich habe alles begriffen. Und die Gewissheit, dass es da nichts zu begreifen gab, müsste meine Zufriedenheit und mein Triumph sein. Doch ich bin hier, der ich alles begriffen habe, und sie suchen nach mir, weil sie meinen, ich sei im Besitz der Offenbarung, die sie dumpf begehren. Es genügt nicht, begriffen zu haben, wenn die anderen sich weigern und weiter bohren. Sie suchen nach mir, sie müssen meine Spuren in Paris gefunden haben, sie wissen, dass ich jetzt hier bin, und sie wollen noch immer die Karte. Und ich kann ihnen sagen, sooft ich will, dass es die Karte nicht gibt, sie werden sie immer wollen. Belbo hatte recht: Leckt mich doch, ihr Idioten, was wollt ihr, mich töten? O basta là. Ihr könnt mich totschlagen, aber dass die Karte nicht existiert, das sage ich euch nicht, wer da nicht von selber drauf-kommt...
    Es schmerzt mich zu denken, dass ich Lia nicht wiedersehen werde, und das Kind, das Ding, Giulio, meinen Stein der Weisen. Aber die Steine überleben von selbst. Vielleicht erlebt er gerade jetzt seine GELEGENHEIT. Er hat einen Ball gefunden, eine Ameise, einen Grashalm, und erblickt darin das Paradies. Auch er wird es zu spät begreifen. Es wird gut sein, und richtig, dass er seinen Tag so allein verbringt.
    Verdammt. Es tut trotzdem weh. Geduld, wenn ich tot bin, denke ich nicht mehr daran.
    Es ist tiefe Nacht. Heute Vormittag war ich noch in Paris, ich habe zu viele Spuren hinterlassen. Sie haben bestimmt nicht lange gebraucht, um zu erraten, wo ich bin. Sie werden bald kommen. Ich hätte gern alles aufgeschrieben, was ich seit heute Nachmittag gedacht habe. Aber wenn sie es läsen, würden sie nur eine weitere finstere Theorie daraus ableiten und eine Ewigkeit damit verbringen, die geheime Botschaft zu entschlüsseln, die sich in meiner Geschichte verbirgt. Unmöglich, würden sie sagen, dass der uns bloß erzählt hat, wie er sich über uns lustig gemacht hat. Nein, vielleicht hat er's nicht gewusst, aber gerade durch seine Vergessenheit hat uns das Sein eine Botschaft geschickt.
    Ob ich es aufschreibe oder nicht, macht keinen Unterschied. Sie würden immer nach einem anderen Sinn suchen, auch in meinem Schweigen. Sie sind so. Sie sind blind für die Offenbarung. Malchuth ist Malchuth und damit basta.
    Aber sag ihnen das mal. Ihnen fehlt der Glaube.
    Also kann ich ebenso gut hierbleiben, warten und den Hügel betrachten.
    Er ist so schön.
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