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Das Flüstern der Albträume

Das Flüstern der Albträume

Titel: Das Flüstern der Albträume
Autoren: Mary Burton
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einen Meter achtzig waren, wirkte sie beinahe zerbrechlich. Aber nur ein Dummkopf hätte sie für zerbrechlich gehalten. Sie ließ sich von niemandem einschüchtern, weder durch Körpergröße noch durch Rang.
    Ihr lockiges, rotbraunes Haar war kinnlang, und fachkundig aufgetragenes Make-up verlieh ihrem von Natur aus blassen Teint Farbe, gleichzeitig deckte es die Sommersprossen auf ihrer Nase ab. Sie hasste diese Sommersprossen.
    Wie immer war sie sorgfältig gekleidet. Sie trug dunkle Hosen, ein figurbetontes weißes Oberteil und einen dunklen Blazer. Ihre braunen Augen verrieten höchste Konzentration.
    Der Feuerwehrmann, mit dem sie gerade sprach, hatte den Kopf leicht vorgebeugt, damit ihm ja kein Wort entging. »Ja, Ma’am«, sagte er. »Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald das Gebäude gefahrlos untersucht werden kann.«
    »Danke.« Sie wandte sich vom Feuer ab und ging zu Garrison hinüber. »Das ging ja schnell.«
    »Du rufst nie ohne Grund an«, erwiderte Garrison.
    Ihr Blick wanderte zwischen den beiden Detectives hin und her. »Ja, das stimmt.«
    Garrison und Macy waren vor ein paar Jahren ein Paar gewesen. Sie hatten viel gemeinsam, und der Sex war großartig gewesen. Aber irgendwann hatte sie mehr gewollt, und mehr hatte er ihr wirklich nicht bieten können. Als ihre Geduld erschöpft war, hatte sie ihm ein Ultimatum gestellt. Er hatte sich entschieden und Schluss gemacht.
    Macy hatte getobt und gewütet und ihm Beleidigungen an den Kopf geworfen, die er vermutlich verdient hatte. Doch er musste ihr zugutehalten, dass sie höflich blieb, wenn sie sich bei der Arbeit über den Weg liefen.
    »Also, warum hast du uns zu einem Hausbrand gerufen? Doch sicher nicht wegen meines einnehmenden Lächelns.«
    Macy nickte. »Wir vermuten Brandstiftung.«
    Garrison betrachtete die verkohlten, rauchenden Balken, aus denen es immer noch zischte, wenn die Feuerwehrleute Wasser in die Glut spritzten. »Gibt es Tote?«
    »Eine.«
    »Wie viele Leute haben sich retten können?«, fragte Malcolm.
    »Sieben. Und das grenzt an ein Wunder. Zeugen haben ausgesagt, dass das ganze Haus innerhalb von zwei Minuten in Flammen stand.« Macy massierte sich den Nacken und blickte auf die verkohlten Balken. »Sie sind alle mit dem Leben davongekommen, weil sie im vorderen Teil des Hauses ferngesehen haben. Und als die Rauchmelder losgingen, sind sie rausgerannt.«
    »Und wo war die Tote bei Ausbruch des Feuers?«, fragte Garrison.
    »Das ist es ja gerade«, antwortete Macy. »Sie ist nicht durch das Feuer gestorben.«
    »Wo ist sie?«, fragte Malcolm.
    »Hinten im Garten.« Macy deutete mit dem Zeigefinger. »Kommt mit.«
    Garrison und Malcolm folgten ihr um das gelbe Absperrband herum in den Garten des Wohnheims. Fünfzehn Meter vom Haus entfernt hatte man eine kleine Fläche mit rotem Absperrband abgetrennt, wie man es bei Verbrechen benutzte. In der Mitte des Areals lag, zugedeckt mit einem weißen Tuch, ein menschlicher Körper.
    Macy ging zu der Leiche, hockte sich hin und griff nach dem Tuch. »Wir haben sie zugedeckt, um bis zur Löschung des Brands keine Spuren zu vernichten. So dicht beim Haus ist es ein Wunder, dass sie nicht klatschnass ist.«
    Garrison gesellte sich zu der Brandermittlerin, holte Gummihandschuhe aus der Tasche und streifte sie über.
    Macy hob das Tuch an und enthüllte das leblose Gesicht einer Frau. Ihre Züge waren fahl, und ihr Mund stand offen. Das Feuer hatte ihr Gesicht unversehrt gelassen, der Tod würde ihr das einst blendende Aussehen erst noch nehmen müssen: volle Lippen, hohe, ausgeprägte Wangenknochen und blondes Haar, das ihr sicherlich ebenso teuer gewesen war wie die großen Brüste, die das Tuch verbarg.
    »Sie sieht nicht aus wie eine, die im Obdachlosenheim unterschlüpft. Ist sie aus diesem Haus gekommen?«, fragte Garrison.
    »Ich glaube nicht.« Macy hob das Tuch ein Stück weiter an und enthüllte Stichwunden in der Herzgegend.
    Malcolm streifte sich ebenfalls Handschuhe über und stellte sich auf die andere Seite der Leiche. Die beiden Detectives gingen neben der Toten in die Hocke und betrachteten die tiefen, gezackten Wunden. »Das erinnert mich an die Frau, die wir vor ein paar Monaten in der Nähe der U-Bahn-Station gefunden haben. Die Stichwunden sehen ganz ähnlich aus.« Bei dem damaligen Opfer hatte es sich um die siebenundfünfzig Jahre alte Eliza Martinez gehandelt. Sie hatte allein gelebt, als Haushaltshilfe gearbeitet, und ihre einzige Tochter war ein Jahr zuvor an Krebs
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