Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
geputzt, doch er berührte gehorsam meine Lippen mit den seinen. Als ich seinen Hinterkopf fasste und ihn fester an mich drückte, stützte er
sich auf eine Hand, um das Bettzeug besser um unsere Unterkörper wickeln zu können.
    »Oh?«, sagte er, als ich ihn losließ. Er lächelte, und seine blauen Augen zogen sich im gedämpften Licht zu dunklen Dreiecken zusammen. »Aber sicher doch, Sassenach. Vorher muss ich aber kurz nach draußen.«
    Er schlug die Bettdecke zurück und stand auf. Vom Boden aus hatte ich eine sehr unorthodoxe Aussicht, die mir einen viel versprechenden Blick unter den Saum seines langen Leinenhemdes ermöglichte. Ich hoffte, dass der Anblick, der sich mir bot, nicht immer noch aus seinem Alptraum resultierte, hielt es aber für besser, nicht zu fragen.
    »Beeil dich lieber«, sagte ich. »Es wird hell; die Leute stehen bald auf.«
    Er nickte und trat geduckt ins Freie. Ich lag still und lauschte. Ein paar Vögel piepsten leise in der Ferne, aber es war Herbst; nicht einmal am helllichten Tag würde ihr Gesang so laut und fröhlich werden wie im Frühling und im Sommer. Der Berg und seine zahlreichen Lagerstätten schlummerten noch, aber ich konnte spüren, wie es überall um mich herum lebendig wurde, wenn es auch noch nicht richtig hörbar war.
    Ich fuhr mir mit den Fingern durch das Haar, breitete es um meine Schultern aus und drehte mich um, weil ich die Wasserflasche suchte. Da ich kühle Luft in meinem Rücken spürte, blickte ich hinter mich, doch die Dämmerung war da, und der Nebel hatte sich verzogen; die Luft vor unserem Zelt war grau, aber still.
    Ich berührte den Goldring an meiner linken Hand, den ich gestern Abend zurückbekommen hatte und der mir nach seiner langen Abwesenheit noch unvertraut war. Womöglich war es ja Franks Ring gewesen, der Frank in meine Träume gerufen hatte. Vielleicht würde ich den Ring heute Abend bei der Hochzeitszeremonie erneut berühren, diesmal absichtlich, und hoffen, dass er irgendwie durch meine Augen sehen konnte, wie glücklich seine Tochter war. Vorerst war er jedenfalls fort, und ich war froh.
    Ein leises Geräusch, nicht lauter als die entfernten Vogelrufe, zog durch die Luft. Der kurze Aufschrei eines erwachenden Babys.
    Früher hatte ich immer gedacht, dass nicht mehr als zwei Menschen in ein Ehebett gehörten, ganz gleich, unter welchen Umständen. Ich dachte es auch jetzt noch. Doch ein Baby war schwieriger zu verbannen als der Geist eines früheren Geliebten; das Bett von Brianna und Roger musste zwangsläufig drei Leuten Platz bieten.
    Die Kante des Zeltleinens hob sich, und Jamies Gesicht erschien. Er sah erregt und alarmiert aus.
    »Es ist besser, wenn du aufstehst und dich anziehst, Claire«, sagte er. »Die Soldaten haben am Bach Aufstellung genommen. Wo sind meine Strümpfe?«
    Ich fuhr zum Sitzen hoch, und weit unten am Berghang begannen die Trommeln zu dröhnen.

    Kalter Nebel lag wie Rauch ringsum in den Mulden; eine Wolke hatte sich auf dem Mount Helicon niedergelassen wie eine Bruthenne auf einem einzelnen Ei, und die Luft war durch und durch feucht. Ich zwinkerte mit verquollenen Augen zu einer unebenen Grasfläche am Bach hinüber, wo eine Abteilung des 67sten Highlandregimentes in ihrer ganzen Pracht Aufstellung genommen hatte und vornehm dem Regen trotzte, während die Trommelwirbel rollten und der Dudelsackbläser des Regiments unter seiner Bärenfellmütze munter drauflosspielte.
    Mir war furchtbar kalt, und ich hatte extrem schlechte Laune. Ich war in der Erwartung zu Bett gegangen, beim Erwachen heißen Kaffee und ein nahrhaftes Frühstück vorzufinden, worauf dann zwei Hochzeiten, drei Taufen, zwei Zahnextraktionen, die Entfernung eines entzündeten Zehennagels und andere lustige Formen bodenständigen, gesellschaftlichen Treibens auf dem Programm standen, für die man Whisky brauchte.
    Stattdessen war ich von beunruhigenden Träumen geweckt worden, zu Liebesgeplänkel verleitet und dann in den kalten Nieselregen gezerrt worden, mitten in die verflixten res hinein, um mir anscheinend eine Art Proklamation anzuhören. Von Kaffee keine Spur.
    Die Highlander hatten einige Zeit gebraucht, um sich von ihren Lagerstätten zu erheben, und das Gesicht des Dudelsackspielers war puterrot, als er endlich die letzten Töne von »Scotland the Brave« schmetterte und mit einem disharmonischen Quietschen abbrach. Das Echo hallte immer noch vom Berg wider, als Leutnant Archibald Hayes vor seine Männer trat.
    Leutnant Hayes’
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher