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Das Fest

Titel: Das Fest
Autoren: John Grisham
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sich ausgiebig mit ihm zu unterhalten, und zwar auf Spanisch.
    »Wer ist das?«, erkundigte sich Luther im Vorbeihumpeln.
    »Marty«, erwiderte Nora, als würde sie ihn seit ewigen Zeiten kennen.
    Als alle satt waren, verlagerte sich die Party zurück ins Wohnzimmer, wo im Kamin ein gemütliches Feuer prasselte. Nachdem die Kinder zwei Weihnachtslieder gesungen hatten, trat Marty vor, der auf einmal eine Gitarre in der Hand hielt. Enrique stellte sich neben ihn und sagte, dass er und sein neuer Freund gern ein paar alte peruanische Weihnachtslieder vortragen würden.
    Marty begann mit Begeisterung zu spielen und sang die zweite Stimme des Duetts. Obwohl die Zuhörer den Text nicht verstanden, war ihnen die Botschaft des Liedes klar. Weihnachten war eine Zeit des Friedens und der Freude auf der ganzen Welt.
    »Und singen kann er auch noch«, flüsterte Nora Blair zu, die statt zu antworten nur über das ganze Gesicht strahlte.
    Nach dem ersten Lied erzählte Marty, er habe früher einmal in Peru gearbeitet und müsse immer an die Zeit dort zurückdenken, wenn er diese Lieder singe. Währenddessen übernahm Enrique die Gitarre, schlug einige Akkorde an und begann leise mit dem nächsten Lied.
    Luther lehnte am Kaminsims, verlagerte sein Gewicht abwechselnd vom rechten auf den linken Fuß und lächelte tapfer, obwohl er das dringende Bedürfnis verspürte, sich hinzulegen und nie wieder aufzustehen. Er ließ den Blick über die Gesichter seiner Nachbarn schweifen, die allesamt ganz verzückt der Musik lauschten. Alle waren sie da — natürlich mit Ausnahme der Trogdons.
    Und mit Ausnahme von Walt und Bev Scheel.
20
    W ährend nach einem weiteren ausländischen Weihnachtslied tosender Applaus für Enrique und Marty aufbrandete, schlich Luther unbemerkt von der Küche in die dunkle Garage. Er hatte sich Winterkleidung übergezogen — Mantel, Wollmütze, Schal, Stiefel, Handschuhe —, schlurfte an der Krücke einher, die er niemals hatte benutzen wollen, und gab sich Mühe, trotz seiner geschwollenen, wunden Fußgelenke nicht bei jedem Schritt zusammenzuzucken.
    In der rechten Hand hielt er die Krücke, in der linken einen großen Umschlag. Obwohl es die ganze Zeit nur leicht geschneit hatte, war der Boden inzwischen schneebedeckt.
    Auf dem Bürgersteig drehte sich Luther um und betrachtete durch das Fenster die Menschenansammlung in seinem Wohnzimmer. Ein volles Haus. Ein Weihnachtsbaum, der aus einiger Entfernung gar nicht so schlecht aussah. Hoch oben ein geliehener Frosty.
    Still lag die Hemlock Street da. Der Feuerwehrwagen, die Polizeifahrzeuge und der Krankenwagen waren zum Glück fort. Luther blickte die Straße hinauf und hinunter — keine Menschenseele war zu sehen.
    Die meisten der Bewohner befanden sich nun in seinem Haus, sangen Weihnachtslieder und retteten ihn damit aus einem Schlamassel, an den sie und er selbst sich zweifellos noch lange erinnern würden.
    Das Haus der Scheels war außen hell erleuchtet, im Inneren jedoch nahezu dunkel. Luther humpelte langsam ihre Auffahrt entlang. Als er die vordere Veranda erreicht hatte, klingelte er und warf noch einmal einen Blick auf sein Haus direkt gegenüber. Ralph Brixley und Judd Bellington bogen gerade um die Ecke und hängten hastig Lichterketten in seine Buchsbäume.
    Luther schloss für eine Sekunde die Augen, schüttelte dann den Kopf und starrte auf seine Schuhe.
    Walt Scheel öffnete die Tür und sagte freundlich: »Fröhliche Weihnachten, Luther.«
    »Dir auch ein frohes Fest«, erwiderte Luther mit einem aufrichtigen Lächeln.
    »Du versäumst ja deine eigene Party.«
    »Ich kann auch nicht lange bleiben, Walt. Darf ich für einen Moment hereinkommen?«
    »Natürlich.«
    Luther humpelte in den Flur und stellte sich auf eine Fußmatte, da er mit seinen Schneestiefeln keine Abdrücke auf dem Boden hinterlassen wollte.
    »Darf ich dir den Mantel abnehmen?«, fragte Walt. Aus der Küche drang Backgeruch, was Luther als gutes Zeichen deutete.
    »Nein, vielen Dank. Wie geht es Bev?«
    »Sie hat heute einen guten Tag, danke der Nachfrage. Wir wollten eigentlich rüberkommen und Blair begrüßen, aber dann ging es ja los mit dem Schnee. Und — wie ist der Verlobte denn so?«
    »Er ist ein sehr netter junger Mann«, antwortete Luther.
    Bev Scheel trat aus dem Esszimmer, sagte Hallo und wünschte Luther fröhliche Weihnachten. Sie trug einen festlichen roten Pullover und wirkte in Luthers Augen unverändert. Doch den Gerüchten zufolge hatte ihr Arzt ihr
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