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Das fahle Pferd

Das fahle Pferd

Titel: Das fahle Pferd
Autoren: Agatha Christie
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oder Ladenmädchen und Putzfrauen, auch junge Männer und Mädchen auf Wanderungen oder wissenschaftlichen Forschungsreisen oder…« Sie musste innehalten, weil sie ganz außer Atem war.
    »Ja, solche Umgebungen lassen sich leichter schildern«, gab ich zu.
    »Immerhin könnten Sie mich einmal in so eine Coffee Bar in Chelsea führen, nur um meine Erfahrungen zu erweitern«, schlug Mrs Oliver nachdenklich vor.
    »Wann immer Sie wollen. Heute Abend?«
    »Nein, heute nicht. Ich bin viel zu sehr mit meinem neuen Buch beschäftigt… oder vielmehr damit, mich darüber zu ärgern, dass ich nicht vorankomme. Das ist das Schlimmste dabei, wenn man Schriftstellerin ist – obwohl eigentlich alles schlimm und ermüdend ist, außer dem einen Moment, da man glaubt, eine wundervolle Idee zu haben und es kaum erwarten kann, mit dem Schreiben anzufangen. Sagen Sie, Mark: Halten Sie es für möglich, einen Menschen mit Hilfe von Fernwirkung zu töten?«
    »Was verstehen Sie unter Fernwirkung? Auf einen Knopf drücken und radioaktive Todesstrahlen aussenden?«
    »Nein, nein, keine Science-Fiction. Ich meine…« Sie hielt einen Augenblick inne. »Ja, ich glaube, ich meine wirklich schwarze Magie.«
    »Wachsfiguren, denen ein Dolch ins Herz gestochen wird?«
    »Ach, solche Dummheiten kommen nicht infrage«, rief Mrs Oliver ärgerlich. »Aber es geschehen doch so eigenartige Dinge – in Afrika oder Westindien. Man hört immer wieder davon. Eingeborene, die einfach umfallen und tot sind. Zauberei oder Fetischglaube… nun, Sie wissen schon, was ich meine.«
    Ich erklärte ihr, das meiste dieser alten Aberglauben werde heute auf die Macht der Suggestion zurückgeführt. Dem Opfer wird gesagt, der Medizinmann habe seinen Tod vorausgesehen – und dann erledigt das Unterbewusstsein den Rest.
    Mrs Oliver schnaubte verächtlich.
    »Wenn mir jemand einreden wollte, ich sei dazu bestimmt, mich hinzulegen und zu sterben, dann sollte der Betreffende sich in seinen Erwartungen aber gründlich getäuscht sehen!«
    Ich lachte.
    »In Ihren Adern fließt das Blut jahrhundertealter westlicher Skepsis. Sie wären kein gutes Medium für so etwas.«
    »Glauben Sie ernstlich, dass solche Dinge geschehen können?«
    »Ich weiß zu wenig darüber. Wie kommen Sie denn auf das Thema? Sollte etwa Ihr neues Meisterwerk einen Mord durch Suggestion enthalten?«
    »Ganz bestimmt nicht! Altmodisches Rattengift oder Arsenik ist immer noch das Beste für mich. Oder der zuverlässige Dolch. Dabei weiß man doch, woran man ist. Keine Feuerwaffen, wenn es sich vermeiden lässt, Feuerwaffen haben immer ihre Tücken. – Aber Sie sind bestimmt nicht hergekommen, Mark, um mit mir über meine Bücher zu reden.«
    »Ehrlich gesagt, nein. Tatsache ist, dass meine Kusine Rhoda Despard demnächst ein Fest geben wird und…«
    »Ausgeschlossen! Nie wieder!«, rief Mrs Oliver. »Wissen Sie, was letztes Mal geschah? Ich wollte ein harmloses Mörderspiel inszenieren und das Erste, was uns in die Quere kam, war ein wirklicher Leichnam. Nein, danke! Ich habe das noch immer nicht ganz verwunden.«
    »Diesmal gibt es kein Mörderspiel. Und Sie hätten nichts anderes zu tun, als in einem hübschen Zelt zu sitzen und Ihre eigenen Bücher zu signieren – zu fünf Shilling das Stück.«
    »N-u-n«, meinte Mrs Oliver zögernd. »Das klingt schon besser. Ich muss das Fest nicht eröffnen? Keine dummen Reden halten? Auch keinen Hut tragen?«
    Ich versicherte, dass nichts dergleichen von ihr verlangt würde.
    »Und es würde sich nur um ein oder zwei Stunden handeln«, drang ich in sie. »Nachher kommt dann irgendein Spiel – vielleicht ein Kricketmatch – nein, nicht zu dieser Jahreszeit –, aber Kindertänze oder eine Maskenprämierung…«
    Ein wilder Schrei unterbrach mich.
    »Das ist es!«, rief Mrs Oliver triumphierend. »Ein Kricketball! Natürlich! Er sieht ihn vom Fenster aus – wie er in die Luft fliegt –, das lenkt ihn ab. Deshalb vergisst er den Kakadu. Wie gut, dass Sie gekommen sind, Mark. Sie haben mich gerettet.«
    »Ich verstehe allerdings nicht ganz…«
    »Macht nichts, macht nichts. Hauptsache, dass ich es verstehe«, versicherte Mrs Oliver. »Es ist alles ziemlich kompliziert und ich habe keine Zeit, Ihnen das Ganze zu erklären. Es war sehr nett, dass Sie mich besucht haben… aber jetzt müssen Sie wirklich gehen, und zwar sofort. Ich muss arbeiten.«
    »Gewiss, gewiss. Und wegen dieses Festes…?«
    »Ich werde es mir überlegen. Quälen Sie mich jetzt nicht
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