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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin
Autoren: Monika Felten
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das eigene Leben zu schützen. Der Wille zu überleben hatte alle anderen Gefühle ausgeschaltet. Abbas hatte sich entschieden, sein Leben für das ihre aufs Spiel zu setzen. Wenn sie dadurch gerettet wurde, hätte sein möglicher Tod einen Sinn.
    Schweren Herzens fasste Maylea einen Entschluss. Obwohl sie bereits ahnte, dass sie sich immer dafür hassen würde, lief sie los. Ein letztes Mal drehte sie sich um und warf einen Blick auf Abbas, der durch seinen erbitterten und selbstlosen Kampf eine lebende Barriere zwischen ihr und den Uzoma errichtete. Eine einsame, verlorene Barriere, für die es kaum eine Hoffnung gab …
    Ohne sich noch einmal umzusehen, taumelte und stolperte Maylea auf die offene Steppe hinaus. Sie spürte keine Erschöpfung und keinen Schmerz. Ihre Beine bewegten sich wie von selbst.
    Nach Süden!
    Sie wusste nicht mehr, wo Süden sein mochte und warum sie dorthin wollte. Sie wusste nur, dass sie nach Süden musste. Sie lief und lief und hatte schon bald jedes Zeitgefühl verloren.
    Wie ein Pfeil, der, einmal abgeschossen, eine lange Strecke zurücklegt, bevor er zu Boden fällt, hastete sie durch die karge Einöde. Sie hatte Hunger und Durst, aber sie spürte es nicht. Selbst die schneidende Kälte des Windes drang nicht bis zu ihr vor.
    Irgendwann wurde ihr schwarz vor Augen. Sie strauchelte und schlug wie ein gefällter Baum auf die harte Erde. Dunkelheit umfing sie, und die Ohnmacht trug sie mit sich fort …
     
    Noch einmal sah sie Abbas, der sich mit einer Feuerpeitsche in den Händen einer Überzahl von Uzomakriegern entgegenstellte. Der junge Wunand wehrte sich geschickt und streckte drei der Gegner zu Boden. Doch dann durchbrachen die anderen die Deckung und brachten ihn zu Fall. Waffen blitzten, und ein Mark erschütternder Schrei gellte durch den Traum …
     
    Als Maylea wieder zu sich kam, stand die Sonne hoch am Himmel. Sie fühlte ein übles Gemisch von Sand und Blut im Mund, hustete, würgte und spuckte, doch die ausgedörrte Kehle schaffte es nicht, den Mund vom Sand zu befreien. Der Nachhall des Traums weckte eine dumpfe Erinnerung in ihr, aber der Durst war stärker und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf jene Dinge, nach denen ihr geschundener Körper gierte.
    Wasser! Sie brauchte Wasser!
    Der Durst wurde unerträglich.
    Mit trockener Zunge, die sich wie Pergament anfühlte, fuhr sich Maylea über die Lippen. Sie waren aufgesprungen und mit einer dicken Schicht aus geronnenem Blut und Sand verkrustet.
    Wasser!
    Keuchend öffnete sie die Augen und stemmte sich mit dem gesunden Arm in die Höhe, um etwas von der Umgebung zu erkennen. Doch alles, was weiter als fünf Schritte entfernt war, verschwamm ihr vor den Augen.
    Es war aus. Fast überraschte es Maylea, wie nüchtern sie ihrem nahen Ende entgegensah. Was die Misshandlungen der Uzoma nicht erreicht hatten, würde nun durch den Wassermangel vollendet werden. Die Flucht, die Schmerzen, Abbas’ selbstlose Hilfe … alles vergebens!
    Das Skelett eines Pferdes, dessen grinsender Schädel und bleiche Knochen nur wenige Schritte von ihr entfernt aus dem Staub ragten, erschien ihr wie die düstere Vorahnung des eigenen Todes.
    Komm , schien das Tier zu locken. Folge mir. Nur ein winziger Schritt, dann sind Schmerzen und Pein vergessen. Komm, komm . Süß und verlockend strich die leise Stimme des Todes durch Mayleas Gedanken. Verführerisch wob sie die Sehnsucht nach Erlösung in ihr Bewusstsein, und plötzlich erschien ihr der nahe Tod wie ein Freund, der ihr hilfreich die Hand reichte. Komm. Es ist Zeit, komm zu mir!
    Maylea seufzte. Sie war bereit zu gehen und sehnte sich danach, endlich Frieden zu finden.
    Der Pferdeschädel grinste noch immer, doch diesmal war es ein triumphierendes, wissendes Grinsen, als ob …
    Maylea erstarrte.
    In dem einheitlichen Grau hinter den bleichen Knochen bewegte sich etwas. Sie blinzelte, aber der Sand hatte sich auf ihren Lidern festgesetzt und streute ihr bei jeder Bewegung winzige Körner in die Augen. So sehr sie sich auch bemühte, das Bild blieb verschwommen.
    Alles, was sie sah, war ein dunkler Schatten, der sich hinter dem Schädel erhob. Er war zu klein für ein Pferd und zu groß für einen der Steppenfüchse, die sich an verendeten Tieren gütlich taten. Aber er bewegte sich. Kein Laut war zu hören, keine Erschütterung durchlief den Boden, nur der Schatten kam näher. Langsam und geräuschlos – wie der Tod.
    Maylea erschauerte. Sie hatte nie wirklich daran geglaubt, dass der
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