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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Autoren: Tiziano Terzani
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mich, wie ich mich selbst sah. Dann ist etwas ganz Seltsames geschehen, weil ich auf einmal nicht mehr unterteilt sah. Ich sah mich als Teil des Ganzen. Und das ist wunderschön, denn auf einmal habe ich mich als anderes Ich gefunden.
    Ich kichere, aber ich bin tief bewegt.
    Ich traue meinen Ohren kaum, Papa so sprechen zu hören.
    Ich klammere mich an die Tatsachen.
    FOLCO: Wann und wo ist das geschehen?
    TIZIANO: Das ist das Ergebnis des Himalaja, als ich begonnen habe, meine Wünsche über Bord zu werfen. Da war auf einmal alles eins. Alles eins. Das Schöne ist, wenn du alles eins siehst, verändern sich die Dinge von Grund auf. Dann blickst du auf die Erde und merkst, dass alles eins ist, dass nichts abgetrennt ist von dir. Und das Schöne ist, wenn du alles eins siehst, wird dir bewusst, dass es keine Unterteilungen mehr gibt. Das heißt, wenn du die Blumen und das Gras betrachtest, sind sie nicht mehr Blumen und Gras, sondern Teil dieser majestätischen Schönheit des Lebens. Da braucht man sich nicht mehr zu fragen, ob das ein Stein ist oder eine … eine …
    ANGELA: Pflanze?
    TIZIANO: Pflanze. Sobald du zu schauen beginnst, merkst du, dass alles eins ist. Du schaust die Schönheit dieser Erde und siehst ihre Einheit. Und das ist eine Schönheit, die es zu begreifen gilt. Die man erlebt, ohne daran zu hängen. Du schaust und entdeckst die Schönheit der Steine. Doch die schließt … die Pflanzen nicht aus. Und dann schaust du die Schönheit der Pflanzen und siehst die Schönheit des Ganzen. Und siehst die herrliche Schönheit der Erde.
    Und das ist wie … erst die Steine zu umfassen und dann … die Tiere zu umfassen, und dann die ganze Menschheit, denn das ist kein Unterschied. Du umfasst die Menschheit. Du lässt dich in diese Schönheit fallen. Was bleibt, ist, dass du die Steine umfasst, du umfasst, du um …, du umfasst die Menschheit, denn da ist kein Unterschied.
    Seine kaum noch vernehmbare Stimme erlischt. Bei diesen seltsamen Worten und der uns fremden, ungewohnt emphatischen Stimme, die kaum die Sätze zu Ende bringt und immer wieder lange Pausen macht, stehen uns allen, Mama, Saskia und mir, die Tränen in den Augen.
    FOLCO: Es gibt keinen Konflikt mehr.
    TIZIANO: Es gibt keinen Konflikt mehr.
    FOLCO: Und auch kein Streben.
    TIZIANO: Denn das hast du gelernt …
    FOLCO: Denn das hast du was?
    ANGELA: Das hast du gelernt.
    TIZIANO: Das hast du gelernt.
    FOLCO: Es gibt keine Angst mehr?
    TIZIANO: Es gibt keine Angst mehr. Es gibt diese eine Welt. In der du dich über die Steine freust, und über die … über die …
    FOLCO: Die Pflanzen, die Tiere?
    TIZIANO: Die Pflanzen. Und am Ende über die Menschheit. Denn das ist alles dasselbe. Es gibt keinen Unterschied. Und so betrachtest du die Erde, bis auf den Grund, und sie ist schön. Es gibt keinen Unterschied. Und so umfasst du am Ende einen anderen Menschen.
    FOLCO: Von diesem Standpunkt aus - was ist da der Tod?
    TIZIANO: Ach, das hab ich dir …
    Ich kann ihn nicht hören.
    FOLCO: Was?
    TIZIANO: Die Angst, zu verlieren …
    SASKIA: Die Angst, zu verlieren.
    FOLCO: Ach, die Angst, zu verlieren.
    TIZIANO: Der Tod ist die Angst, alles zu verlieren, was du hast. Du hast Angst, das Häuschen am Meer zu verlieren, das du gekauft hast.
    FOLCO: Das nichts ist?
    TIZIANO: Das nichts ist. Denn was macht uns am Tod solche Angst? Der Gedanke, plötzlich alles zu verlieren, an das du dich so k … so klammerst, mit aller Gewalt. Was dir so wichtig vorkommt. Das Häuschen auf dem Land. Das Motorrad. Das fürchtest du mit dem Tod zu verlieren.
    FOLCO: Und jetzt macht es dir nichts aus, es zu verlieren?
    TIZIANO: Pfft!
    FOLCO: All das wirst du verlieren.
    TIZIANO: Pfft!
    FOLCO: Aber genau an diesen Dingen hängen wir.
    TIZIANO: Wir glauben, das sei das Wichtigste. Pfft!
    Mama zögert. Es fällt ihr nicht leicht, diesen Mann, ihren Mann, zu fragen, was sie ihn fragen möchte.
    ANGELA: Und die Menschen?
    TIZIANO: Genauso.
    ANGELA: Genauso …
    TIZIANO: Warum sollte man an den Menschen hängen?
    FOLCO: Hmm.
    TIZIANO: Was uns Angst macht, ist doch, das alles zu verlieren. Mir macht das keine Angst. Ich habe es bereits verloren.
    FOLCO: Aber ist das nicht … ist das nicht … schlimm?
    TIZIANO: Ich habe keine Wünsche mehr. Stille.
    Lange Pause. Durch den Raum summt eine Fliege.
    FOLCO: Du hast etwas verstanden, was?
    TIZIANO: Nein, ich habe einfach geschaut.
    ANGELA: Er hat geschaut. Hmm.
    Sie trocknet die Tränen.
    TIZIANO: Zieht mich hoch.
    Wir helfen ihm, sich
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