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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Daniel Höra
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Stadttor. Die Leute müssen sie dabei sehen«, sagte er.
    Ich dachte an die Siegesgöttin. Wolf hatte mich gewarnt, dass sie jedem Neuankömmling, den sie nicht mag, auf den Kopf scheißt. Mehr oder weniger hatte sie genau das mit mir gemacht. Und da oben würden Leela und Amandus ideale Zielscheiben abgeben.
    »Wir müssen auf die Vernunft der Menschen vertrauen«, sagte Burger, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    Ich hätte gern ein wenig geschlafen, aber es blieb keine Zeit. Vorher verabschiedete ich mich von Leela. Sie umarmte mich. »Wir werden uns bald wiedersehen«, sagte sie und drückte mir einen Kuss auf die Lippen. Es fiel mir schwer, sie zu verlassen. Auf der Treppe sah ich noch einmal zurück. Leela stand an der Tür und winkte mir zu. Ich winkte zurück und dachte daran, wie es wäre, mit ihr zusammenzuleben. Wie Mann und Frau? Schnell verbarg ich den Gedanken, aus Angst, Leela könnte ihn mir angesehen haben.
    Der Zar begleitete mich zum U-Bahn-Tunnel.
    Davor schüttelte er mir die Hand und zerquetschte sie dabei fast. »Denk daran«, sagte er und tippte sich an die Stirn, »Mutti ist immer bei dir.«
    Die Luft war dick und staubig. Ich beleuchtete das zerkratzte Stationsschild, fuhr über die moosigen Wände und sah zu, wie der Lichtstrahl vom dunklen Tunnel verschluckt wurde. Ich hatte ein mulmiges Gefühl, als ich langsam auf das schwarze Loch zuging. Was, wenn ich mich hier unten verlaufe, dachte ich und gab meinen widerspenstigen Beinen den Befehl, weiterzugehen.
    Ich sah auf den Linienplan, den Burger mir mitgegeben hatte.
    »Du musst die Linie nicht mal wechseln, sondern nur 14 Stationen abzählen und dann hochsteigen. Nach ein paar hundert Metern Richtung Westen beginnt die Autobahn«, hatte er gesagt. »Dort werden unsere Leute ankommen.«
    Ich stolperte mehrmals über Schutt, und einmal riss ich mir an einem herabhängenden Eisenband die Wange auf. Nach einer Weile bekam ich Hunger. Ich hätte alles für einen Muschnik gegeben. Doch außer einer Schlange, die sich zischend zwischen den Gleisen ringelte, fand ich nichts Essbares. Meinen Durst stillte ich an einem Wassersturz, der durch die zerbrochene Decke prasselte. Obwohl das Wasser nach rostigem Eisen schmeckte, trank ich, so viel ich konnte, um meinen Magen zu füllen.
    Ein Quieken ließ mich herumfahren. Eine Rattenfamilie huschte durch den Lichtkreis und blickte mich aus gelblichen Augen an. In der Ferne war ein beunruhigendes Klopfen zu hören, das kurz aussetzte, um dann umso heftiger weiterzudonnern. Als es näher zu kommen schien, rannte ich ein ganzes Stück, bis es in der Ferne verklang.
    Ich zählte die Stationen. Sie waren alle verlassen. Auf einem Bahnsteig entdeckte ich allerdings ein Zelt. Doch niemand war zu sehen.
    »Hallo!«, rief ich, bekam aber keine Antwort. Langsam ging ich näher, schlug den Zelteingang hoch und prallte zurück. Im Inneren saß eine mumifizierte Leiche und grinste mich an. Ich machte, dass ich wegkam.
    Nach fünf Stunden erreichte ich schweißgebadet mein Ziel. Gierig atmete ich die frische Nachtluft ein.
    Amandus hatte mir von zerfallenen Zuschauerbänken erzählt, die längs der Autobahn aufgestellt waren. In den Tagen vor der Großen Katastrophe habe es dort Autorennen gegeben, hatte er gesagt. Ich konnte mir darunter nichts vorstellen, aber anscheinend ging es darum, mit einem Auto möglichst schnell im Kreis zu fahren.
    Ich entdeckte bald die Bänke und schlüpfte unter dem undichten Dach vor dem Regen unter. In etwa zwölf Stunden sollten Leela und Amandus das Stadttor besteigen. Adams Leute würden den Radiosender besetzen und ihre Worte übertragen. Ich hoffte, dass unsere Männer bis dahin eingetroffen wären.
    Zitternd vor Kälte schmiegte ich mich an die zerbrochenen Sitze, während der Hunger an mir nagte. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und wanderte auf der Suche nach Essbarem umher. Ich fand etwas Sauerampfer und ein paar Nacktschnecken, die ich in die Blätter wickelte. Das Essen war kalt und glitschig, und meine Zähne schmerzten, aber ich würgte es runter. Den ekelhaften Geschmack spülte ich mit dem Wasser weg, das sich in der Kuhle eines Sitzes gesammelt hatte. Um mich warm zu halten, wanderte ich zwischen den Stuhlreihen hin und her und entdeckte dabei eine uralte, fast verblichene Schokoladenverpackung. Darauf war ein Kinderkopf mit blendend weißen Zähnen zu sehen, der sich gerade einen Schokoladenriegel in den Mund schob und dabei lachte, als gäbe es nichts
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