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Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)

Titel: Das egoistische Gehirn: Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft (German Edition)
Autoren: Achim Peters
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wird es dauern, bis die nächste Lieferung eintrifft? Der Beschaffungsdruck, den ein derartiges System ausübt, wäre enorm und hätte einen permanenten Einfluss auf unser Leben.
    Es gibt nur eine Kraft im Gehirn, die so stark ist, den Körper dazu zu zwingen, sich derart zu fügen: das Stresssystem. Wenn wir diesen Begriff hören, denken wir vielleicht an äußere Einflüsse, durch die wir unter »Stress« geraten – etwa, wenn wir im Stau stehen und dringend zum nächsten Termin müssten, wenn wir eine Prüfung ablegen müssen oder in einen Streit verwickelt sind. Tatsächlich war das Stresssystem in der Evolution der Wirbeltiere ursprünglich dazu da, Gefahrensituationen besser zu meistern und sofort mit einer Kampf- oder Fluchtreaktion auf einen Stressor (einen bedrohlichen Reiz von außen) zu reagieren. Bei einer Bedrohung wird die Reaktionsfähigkeit gesteigert, das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet, der Blutdruck steigt, das Herz klopft, der Körper läuft auf Hochtouren. Ist die Gefahr gebannt, kehrt das Stresssystem wieder in seine Ruhelage zurück. Wie bei einem Fernsehgerät steht es so lange auf Standby, bis das Drücken des Startknopfes das Programm wieder aktiviert.
    Wie genau unser Stresssystem funktioniert, denn natürlich reicht bei uns ein Knopfdruck allein nicht aus, kann man am besten mit einem Beispiel erklären: Stellen Sie sich vor, der Ausstellungsraum eines großen Kunstmuseums soll ganzjährig exakt auf 20 °C temperiert werden. Das übernimmt die Heizungsanlage (das Stresssystem), ein teures und hochsensibles System, denn die alten Gemälde sind sehr empfindlich und wertvoll. Plötzlich reißt ein Unbefugter das Fenster im Ausstellungsraum auf (Stressor von außen). Sofort misst der empfindliche Thermostat (die Energiefühler im Gehirn) einen minimalen, für den Besucher kaum spürbaren Temperaturabfall auf 19,8 °C (Energiekrise im Gehirn). Der Thermostat gibt der Heizung nun die Anweisung, hochzufahren – schnell und genau in dem Umfang, der nötig ist, um zur gewünschten Ausgangstemperatur zurückzukehren. Die Anlage arbeitet dabei so präzise und effizient, dass es erst gar nicht zu einem größeren Temperaturabfall kommt. Kleinste Veränderungen von ±1 % in der Temperatur führen also bereits zu großer Aktivität des Systems. Die Heizung hält die Hochleistung (Stresssystem unter Belastung), bis jemand das Fenster wieder schließt und die Lage sich entspannt (Stresssystem kehrt langsam zurück in die Ruhelage). Nun bringt sie wieder ihre Grundleistung, die den Raum auf jenen 20 °C »Wohlfühltemperatur« hält, die für die Bilder optimal sind (Gehirnenergie im Gleichgewicht).
    Zu solchen präzisen Leistungen ist auch das Gehirn mit seinem Stresssystem fähig.
    System unter Stress

    Unser Stresssystem ist eine mächtige Größe, die immer präsent ist, auch wenn sie ruht, aber jederzeit aus dieser Ruhelage, ihrem Standby-Modus, gerissen werden kann. Wie schnell und mit welchen Folgen, diese Erfahrung hat wohl jeder von uns mehr oder weniger bewusst schon einmal erlebt: während einer Auseinandersetzung, in einer Prüfungssituation oder einer Gefahrenlage. An der Universität zu Lübeck wurden im Rahmen des Trier-Social-Stress-Tests ebensolche Situationen zu Forschungszwecken inszeniert. Freiwillige Probanden wurden psychosozialem Stress ausgesetzt, wie er während einer schwierigen Prüfung oder einem Verhör entstehen kann. Die Testsituation sah folgendermaßen aus: Bei den Teilnehmern handelte es sich um gesunde Männer im Alter von 18 bis 33 Jahren. Sie betraten einen spärlich eingerichteten Raum. An einem Tisch saßen eine Prüferin und ein Prüfer in den weißen Uniformen der medizinischen Experten, die Testpersonen selbst mussten stehen. Eine Kamera und ein Mikrofon zeichneten das »Examen« auf. Die Probanden hatten einige Minuten Zeit, sich vorzustellen und über ihre persönlichen Stärken zu berichten. Sie sollten die Jury von sich überzeugen, ernteten aber statt Signalen der Anerkennung, Offenheit oder Ermunterung nur ernste, unterkühlte Blicke. Die Prüfer zeigten sich offenkundig mit dem Gesagten nicht zufrieden und machten sich ständig schriftliche Notizen. Im nächsten Teil der Prüfung wurde eine mathematische Aufgabe gestellt. Die Testkandidaten sollten von 2023 in 17er Schritten rückwärts rechnen. Bei jedem Fehler begann die Rechenprozedur von vorn, jedes falsche Ergebnis wurde mit kalter Geringschätzung quittiert.
    Nach zehn Minuten hatten die
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