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Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)

Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)

Titel: Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
Autoren: Stuart MacBride
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dann kramte ich in meiner Hosentasche und glich die Differenz zum Rechnungsbetrag mit Münzen aus. Vierzig Pfund und fünfundachtzig Pence. Genug, um Rebeccas Post für ein weiteres Jahr an mein Postfach weiterleiten zu lassen.
    Die Ausbeute dieser Woche bestand aus einem Modekatalog von Next, drei Bettelbriefen von Wohltätigkeitsorganisationen und einem Schreiben von der Royal Bank, die ihr eine Kreditkarte andrehen wollte. Ich versenkte alles im Papierkorb. Alles bis auf die Geburtstagskarte.
    Ein schlichter weißer Umschlag, ordnungsgemäß frankiert und mit einem Adressaufkleber versehen:
    R e becca H e nd e rson
19 Rowan Driv e
Blackwall Hill
Oldcastl e
OC15 3BZ
    Die Adresse war mit einer Schreibmaschine getippt, kein Laserausdruck; die Buchstaben ins Papier gehämmert, das »e« ein wenig nach oben verrutscht. Genau wie bei allen anderen.
    Der Dampf aus dem brodelnden Wasserkocher erfüllte die Küche.
    Ich ging mit einem Geschirrtuch zum Fenster und wischte ein Guckloch in die beschlagene Scheibe. Die herablaufenden Tropfen sammelten sich auf dem schimmelgeschwärzten Holzrahmen.
    Der Garten war ein Gewirr aus fransigen Silhouetten, die Sonne ein verschmierter Feuerball, der Kingsmeath in Gold und Schatten tauchte. Grau verputzte städtische Arbeiterhäuser, die Dachpfannen mit einem Ausschlag aus Flechten überzogen; die glänzenden Schieferdächer der Wohnblocks; eine Grundschule mit Maschendrahtzaun drumherum – ein gedrungener, abweisender Klotz, die Fenster erleuchtet.
    »Haha! Okay, zurück zu unserem kleinen Kuckucksnest- Quiz. Also: Christine Murphy glaubt, die Antwort lautet ›Akute polymorphe psychotische Störung‹.« Ein elektroni sches Quaken. »Hmm, sieht aus, als hätten die Stimmen in Ihrem Kopf danebengelegen, Christine. Na, vielleicht klappt’s beim nächsten Mal.«
    Die Zigarrenkiste war rau unter meinen Fingerspitzen. Etwas größer als eine altmodische Videokassette, dekoriert von einem Kind, das gerade alt genug war, um mit einer stumpfen Schere und Kleber hantieren zu dürfen. Die meisten Pailletten waren schon vor Jahren abgefallen, und der Glitter erinnerte inzwischen eher an Splitt als an irgendetwas sonst, aber es war der gute Wille, der zählte. Genau die richtige Größe zum Aufbewahren von selbst gemachten Geburtstagskarten.
    Ich hob den Deckel an. Der holzige Duft nach alten Zigarren kämpfte gegen den Schimmelmief der Küche und die undefinierbaren Gerüche aus dem Abfluss an.
    Ganz oben auf dem Stapel lag die Karte von letztem Jahr: » HAPPY BIRTHDAY !!!« stand da, quer über ein Polaroidfoto gekrakelt – ein quadratisches Bild in einem weißen Plastik-Rechteck. Das Ding war eine echte Antiquität – Polaroid stellte die Filme schon gar nicht mehr her. In der oberen linken Ecke war die Ziffer 4 eingeritzt.
    Ich griff nach dem neuesten Umschlag, schob die Klinge eines Küchenmessers unter die Lasche, schlitzte ihn am Falz entlang auf und zog den Inhalt heraus. Ein Schwall dunkler Schuppen regnete auf die Arbeitsplatte herab – das war neu. Sie rochen nach Rost. Ein paar landeten auf dem Saum des Geschirrtuchs und verwandelten sich in winzige rote Tupfer, als sie von dem feuchten Stoff aufgesogen wurden.
    O Gott …
    Das diesjährige Foto war auf eine einfache weiße Karte aufgeklebt. Mein kleines Mädchen. Rebecca. In irgendeinem Keller an einen Stuhl gefesselt. Sie war … Er hatte ihr die Kleider weggenommen.
    Ich schloss einen Moment lang die Augen. Meine Knöchel schmerzten, und ich biss die Zähne so fest zusammen, dass es in meinen Ohren rauschte. Du Schwein. Du verdammtes, dreckiges Schwein.
    »Bleiben Sie dran, liebe Hörer, denn gleich nach den Nachrichten haben wir noch einen köst-li-chen Scherzanruf für Sie, aber vorher noch ein Golden Oldie: Tammy Wynette mit ihrer Betonfrisur und ihrem Hit ›Stand by Your Man‹. Guter Rat übrigens, meine Damen.« Wieder die schrille Hupe .
    Rebeccas blasse Haut war blutverschmiert, voller Schnittwunden und Brandmale und Blutergüsse; die Augen weit aufgerissen, schrie sie hinter einem Knebel aus Klebeband. Die Ziffer 5 war in die Ecke des Fotos geritzt.
    Fünf Jahre, seit sie verschwunden war. Fünf Jahre, seit das Schwein sie zu Tode gefoltert und seine Tat mit Fotos belegt hatte. Fünf Geburtstagskarten, jede schlimmer als die zuvor.
    Der Toast sprang heraus, und der Geruch von verbranntem Brot breitete sich in der Küche aus.
    Tief durchatmen. Tief durchatmen.
    Ich legte Karte Nummer fünf in die Kiste, oben auf
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