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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sich?«
    »Damit sie keine Läuse bekommt. Wir sind schmutzige Indianer.«
    »Sie ist ein Kojotmädchen. Du kannst sie mit dem Finger wegschnippen.«
    Das Unbehagen der jungen Dezernentin verstärkte sich bei der Unterhaltung zwischen Vater und Sohn, die sie nicht verstand. Sie wies Mr. King in Gedanken an, sie nicht unnötigerweise aufzuhalten, sagte aber laut etwas ganz anderes.
    »Es ist heiß, Mister King, legen Sie doch die Jacke ab!«
    Mr. King war von dem sonderbaren Verlangen überrascht, aber aus den Zeiten seiner Gefängnisse gewohnt, daß Beamte Gehorsam verlangen, und so zog er mit einem spöttischen Zucken um die Mundwinkel die Jacke aus, sah sich nach einem Haken um, und als er diesen nicht fand, legte er die Jacke auf die Wartebank, die an der Wand aufgestellt war. Im weißen Hemd und in den schwarzen Jeans, den schwarzen Cowboyhut auf dem Kopf, stand er nun vor der Barriere, die die Dezernentin für das Schulwesen nach ihrer Meinung nur mangelhaft schützte.
    Sie hatte, als Joe King sich umdrehte, wahrgenommen, daß in seinem Stiefelschaft das Stilett steckte, über das es viele Sagen und Legenden gab. Sie hatte es nur darum entdeckt, weil sie es nach Maßgabe solcher Sagen und Legenden dort gesucht hatte.
    Miss Bilkins mußte sich über ihr weiteres Verhalten schlüssig werden.
    »Moment, Mister King!«
    Sie stand auf, öffnete die Barrieretür, verließ den Raum, an Mr. King mehr vorbeihuschend als vorbeigehend, und kam erst nach geraumer Zeit zusammen mit dem großen Polizisten wieder.
    Dieser stellte sich zwischen Tür und Wartebank mit dem Rücken gegen die Wand. Er war mit der Dienstpistole bewaffnet.
    Joe King lächelte nicht, er zeigte keine Gefühlsregung.
    Miss Bilkins nahm wieder an ihrem Schreibtisch hinter der Barriere Platz. Sie hatte ihre Selbstsicherheit wiedergewonnen, und ihre hellblauen Augen blitzten nicht nur feindselig sondern auch siegesgewiß.
    »Mister King! Es ist vergeblich, daß Sie hier wie ein stummer Geist erscheinen, auch noch das Kind, diesen widersetzlichen Boy an der Hand. Die Entscheidungen liegen vor.«
    Joe King schwieg, aber sein Schweigen wirkte als Ablehnung dessen, was ihm soeben gesagt worden war. Das stumme >No< reizte Miss Bilkins, den jüngsten Anlaß ihrer Ressentiments gegen Familie King zu enthüllen. »Es war eine sehr eigentümliche Methode Ihrer Frau, sich unmittelbar an Washington zu wenden. Schließlich sind wir hier, wir kennen die wirklichen Verhältnisse; das Büro in der Zentrale kann sich nicht mit einigen hunderttausend Indianerkindern im einzelnen beschäftigen. Mister King, Sie und Ihre Frau, tun dies und das, nur um uns Unannehmlichkeiten zu bereiten. Was haben Sie gegen unsere ausgezeichneten, neu erbauten, mit Bibliotheken, Klubräumen und allen hygienischen Einrichtungen ausgestatteten Internate, die wir mit hohen Kosten für die indianische Bevölkerung schaffen?! Gerade Sie sollten sich freuen, daß wir mit einem großen Aufwand die jüngere Generation vor den Verhältnissen Ihrer eigenen Kindheit bewahren, vor Trunkenheit, Schmutz, Verbrechen.«
    Hanskas Gesicht wirkte so dunkel, wie es in seinem Innern aussah.
    Joe King ging aus seinem Schweigen heraus. »Es handelt sich bei dem,   was   die   Regierung   für   Indianer   ausgibt,   nicht   um Wohlfahrtsgelder, Miss Bilkins, sondern um Vertragszahlungen; wir Indianer sind der Meinung, daß man mit diesem Geld hier, in dem Rest unseres Landes, das Sie uns gelassen haben, Arbeit und Schulen schaffen und aus dem Elend heraushelfen kann, in das uns die weißen Männer gestoßen haben. Hanska kann bei uns bleiben.«
    »Mister King, die Sache ist wohl überlegt und endgültig nach den Vorschlägen Ihrer Frau geregelt, die Hanskas Vormund ist. Das Schreiben liegt beim Superintendent zur Unterschrift. Aber sie haben jeden Augenblick etwas Neues im Kopf. Ich bin jedoch kein Huhn, das Sie dahin oder dorthin scheuchen können. Ich bitte Sie, nicht weiter zu querulieren.« Miss Bilkins schaute auf die Armbanduhr.
    Joe King machte die gleiche Bewegung, ohne eine Uhr bei sich zu haben.
    Miss Bilkins empfand diese Art der Antwort als eine Anmaßung. »Das Büro schließt, die Sache ist erledigt.«
    »Miss Bilkins, Sie erledigen nicht eine Sache, sondern Menschen. Das ist meine indianische Denkweise. Sie regieren und sprechen aus dem Recht Ihres Amtes, das unser großer weißer Vater mit Bajonetten und Kanonen erzwungen hat. Ich verteidige das Recht eines Kindes. Sein Recht ist das
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