Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
ihre Aschenbecher ausgeleert hatte.
Sie durchschaute seine Techniken.
»Na gut«, sagte Haie, als er sicher war, daß keiner der beiden ihm eine Handhabe geben würde. »Soweit haben wir es
uns zusammengereimt. Norman kommt hierher. Norman
schafft es irgendwie, die Officers Alvin Demers und Lee
Babcock zu töten. Babcock wandert auf den Beifahrersitz,
Demers in den Kofferraum. Norman macht das Licht im
Hausflur kaputt, dann geht er in den Keller und schaltet
wahllos ein paar Sicherungen aus, obwohl sie auf dem
Schaltplan im Sicherungskasten deutlich ausgewiesen sind.
Warum? Wissen wir nicht. Er ist durchgedreht. Dann geht er
zum Streifenwagen zurück und tut so, als sei er Officer
Demers. Als Sie und Mr. Steiner aufkreuzen, fällt er von
hinten über Sie her - würgt Mr. Steiner, jagt Sie beide nach
oben, schießt auf Mr. Briscoe, als der versucht, ihm den Spaß
zu verderben, und bricht Ihre Tür auf. Bis hierher alles
richtig?«
»Ja, ich glaube schon«, sagte Rosie. »Es war ziemlich verwirrend, aber so muß es sich abgespielt haben.«
»Und jetzt kommt der Teil, den ich nicht verstehe. Sie
beide haben sich im Wandschrank versteckt -«
»Ja -«
»- und dann stürmt Norman herein wie Freddy Jason,
oder wie der Typ in den Horror-Filmen heißt -«
»Nun, nicht ganz -«
»- und er läuft herum wie der Elefant im Porzellanladen,
bleibt lange genug im Bad, daß er zwei Löcher in den Duschvorhang schießen kann … und dann stürmt er wieder raus.
Haben Sie nicht gesagt, daß er das getan hat?«
»So ist es gewesen«, sagte sie. »Natürlich konnten wir
nicht sehen, wie er herumgelaufen ist, weil wir im Schrank
waren, aber wir haben es gehört.«
»Diese wahnsinnige, kranke Karikatur von einem Cop
geht durch die Hölle, um Sie zu finden, läßt sic h bepissen,
läßt sich die Nase zu Klump schlagen, ermordet vier Menschen, von denen wir wissen, zwei davon Cops, und dann…
was? Erschießt einen Duschvorhang und läuft weg? Das
wollen Sie mir erzählen?«
»Ja.« Sie sah, daß es keinen Sinn hatte, mehr zu sagen. Er
vermutete nicht, daß sie etwas Ungesetzliches getan hatte in dem Fall hätte er sie sich weitaus härter vorgeknöpft,
wenigstens zu Anfang -, aber wenn sie ihre simple Aussage
ausschmückte, machte er vielleicht die ganze Nacht mit seinem Terriergekläff weiter, und sie hatte jetzt schon Kopfschmerzen davon.
Haie sah Bill an. »Erinnern Sie sich auch so daran?«
Bill schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich überhaupt nicht daran«, sagte er. »Ich kann mich nur noch erinnern, wie ich
die Harley vor dem Polizeiauto abgestellt habe. Eine Menge
Nebel. Danach kommt nur noch Nebel.«
Haie hob resigniert die Hände. Rosie ergriff Bills Hand,
legte sie auf ihren Oberschenkel, bedeckte sie mit ihren beiden und lächelte süß zu ihm auf.
»Schon gut«, sagte sie. »Ich bin sicher, mit der Zeit wird es
dir wieder einfallen.«
6
    Bill versprach ihr, daß er bleiben würde. Er hielt sein Wort und schlief ein, bevor er noch richtig das Kissen berührte,
das sie von dem kleinen Sofa geholt hatten. Das überraschte
Rosie nic ht. Sie lag neben ihm an der Außenkante des schmalen Betts, sah den Nebel in Schwaden vor der Straßenlaterne
draußen vorbeiziehen und wartete darauf, daß ihre Lider
schwer wurden. Da sie nicht einschlafen konnte, stand sie
auf, ging in den Wandschrank, schaltete das Licht ein und
setzte sich mit überkreuzten Beinen vor das Bild.
    Blasses Mondlicht belebte es. Der Tempel wareine bleiche
Gruft. Die Aasvögel kreisten am Himmel. Werden sie sich morgen, wenn die Sonne aufgeht, an Normans Fleisch gütlich tun? fragte sie sich. Sie hielt es für unwahrscheinlich. Sie glaubte,
daß sich Norman an einem Ort befand, wo niemals Vögel
hinkamen.
    Sie betrachtete das Gemälde noch einen Moment, dann
streckte sie die Hand aus und fühlte die Pinselstriche mit den
Fingern. Die Berührung beruhigte sie. Sie machte das Licht
aus und ging wieder ins Bett. Diesmal schlief sie schnell ein.
7 Am ersten Tag ihres Lebens ohne Norman wachte sie in aller
Frühe auf - und weckte Bill. Sie schrie.
     
»Ich vergelte! Ich vergelte! O Gott, ihre Augen! Ihre schwarzen
    Augen!«
»Rosie«, sagte er und schüttelte sie an den Schultern.
»Rosie\«
Sie sah zuerst verständnislos zu ihm auf; ihr Gesicht war
schweißnaß, ihr Nachthemd in Schweiß getränkt, so daß der
Baumwollstoff ihr am ganzen Körper klebte. »Bill?«
Er nickte. »Klar bin ich es. Du bist in Sicherheit. Wir sind
beide in Sicherheit.«
Sie erschauerte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher