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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kennzeichnen.
    Nun war das Ziel das Städtchen Puschkin, das eigentlich nur aus dem Alexander-Palast und dem Katharinen-Palast, weiten Parkanlagen und Zierteichen mit Wasserspielen und Grotten bestand. Die Wohnhäuser um diese Paläste waren uninteressant, und man hätte sie von den Deutschen überrennen lassen können, wie diese Hunderte andere kleine Städte zuvor überrannt hatten.
    Wenn da nicht der Katharinen-Palast gewesen wäre. Dieser herrliche Palast mit seinen Säulen und Marmorstatuen, den vergoldeten Zwiebelkuppeln seiner Schloßkirche, den vergoldeten Balkongittern aus Schmiedeeisen, den von Bildhauern reich verzierten Fenstersimsen und den kunstvollen französischen Gärten nach dem Vorbild des Parks von Versailles. Der Wert all dieser Kunstwerke, die sich hier angesammelt hatten, war mit Zahlen kaum noch zu benennen. Und ein Kunstwerk war darunter, das einzigartig auf der Welt war, das nie wieder hergestellt werden konnte: ein Saal in den Maßen von 11,50 Meter mal 10,55 Meter und einer Deckenhöhe von sechs Metern mit 22 wunderschönen Vertäfelungen, 150 Platten, Girlanden, Figuren und Wappen, und das alles aus einem ›Stein‹ in den Farben vom hellsten Gold bis zum funkelnden Dunkelbraun: das Bernsteinzimmer. Über zweihundert Jahre wurde dieser Saal im Katharinen-Palast, geliebt von allen Zarinnen und Zaren, immer wieder ergänzt und ausgeschmückt mit neuen Bernsteinwerken, Gemälden und Deckenmalereien, Putten und auch vielfarbigen Jaspis-Mosaiken in Bernsteinrahmen, die ein Werk des Hofarchitekten Rastrelli, des Lieblingsbaumeisters der Zarin Elisabeth, waren.
    Das Bernsteinzimmer.
    Ein ganzer Saal aus dem ›Sonnenstein‹.
    Wer ihn einmal gesehen hat, wird es nie mehr vergessen. Die Schönheit hatte sich in ihn eingebrannt, in Tausenden von Mosaiken und glitzernden Steinschnitzereien brach sich das Licht.
    Die drei Kunstoffiziere der Roten Armee waren vor zwei Tagen in Puschkin eingetroffen. In ständigem Telefonkontakt mit General Sinowjew, berichteten sie ihm, daß deutsche Bomber die Vorstädte von Leningrad und auch Puschkin bombardierten, aber das wußte Sinowjew längst.
    »Ich will nicht wissen, was an der Front passiert«, bellte er ins Telefon und unterstrich seine Erregung mit Faustschlägen auf den Tisch, die man in Puschkin deutlich hörte. »Könnt ihr das Bernsteinzimmer retten? Das allein sollt ihr mir melden. Schaffen wir es?«
    »Kaum«, sagte der älteste der Offiziere, ein Major, der als Kunsthistoriker am Russkij Muzei , dem Russischen Nationalmuseum, arbeitete und dem vor allem die Säle XXII., I., XXI. und III. unterstanden, wo die schönsten und wertvollsten Gemälde, Skulpturen und Möbel dieses Museums ausgestellt waren. »Wir können gerade noch die Wände verschalen und vor Beschädigungen schützen. Damit hatte man bereits begonnen, als wir eintrafen.«
    »Was hindert Sie, das Zimmer auszubauen?« rief Sinowjew in höchster Erregung.
    »Die Zeit, Genosse General.«
    »Noch sind die Deutschen nicht in Puschkin!«
    »Aber sie werden in spätestens drei bis vier Tagen hier sein. In drei Tagen ist der Ausbau nicht zu schaffen.«
    »Wir haben Menschen genug!« schrie Sinowjew unbeherrscht. Das Bernsteinzimmer in deutscher Hand – dieser Gedanke preßte ihm das Herz zusammen. »Holen Sie an Arbeitern heran, was Sie kriegen können.«
    »Alle noch arbeitsfähigen Männer und Frauen sind zu Schanzarbeiten befohlen. Drei Verteidigungsgürtel sollen entstehen.«
    »Das weiß ich doch!« General Sinowjew fuhr sich mit der Hand über Stirn und Augen. Das letzte Gespräch mit General Schukow war noch frisch in seiner Erinnerung. »Holen Sie einfach Frauen von der Straße und lassen Sie sie zum Bernsteinzimmer bringen! Es muß gerettet werden! Verstehen Sie mich: Es muß –«
    »Außerdem brauche ich achtzehn bis zwanzig Lastwagen …«
    Sinowjew holte tief Atem. Zwanzig Lastwagen. »Versagt Ihr Gehirn?« sagte er, etwas leiser geworden. »Sie wissen doch …«
    »Um das Zimmer abzutransportieren, brauche ich zwanzig Wagen, Genosse General. Die Wahrheit ist's nun mal. Sollten wir die Mosaike einzeln in Säckchen wegbringen, die Girlanden zersägen, die Köpfe herausschlagen, die Gemälde aus den Rahmen schneiden, die Deckenmalereien zerstückeln? Die Vertäfelungen müssen als Ganzes herausgenommen werden, die Türen, die Putten, die Girlanden, die Masken … sonst können wir das Bernsteinzimmer gleich in die Luft sprengen.«
    »Ich werde sehen, was mir möglich ist«, sagte
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