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Das Beil von Wandsbek

Das Beil von Wandsbek

Titel: Das Beil von Wandsbek
Autoren: Arnold Zweig
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stehe jederzeit zu Diensten.«
    »Beerdigungsverein Volkswohl der NSDAP. – da muß man hineingetreten sein. Ist es nun galant, einer Dame auch hier den Vortritt zu lassen?« Herr Lintze lächelte mit seinem kleinen Munde, worauf Direktor Koldewey entgegnete, die brüchige Zähmung des Europäers verlange Aufrechterhaltung der Lebensformen, selbst angesichts des Todes. Ein Paket, länglich und umschnürt, blieb neben dem Fahrer Ehlers liegen.
    Im Schaufenster thronte auf einem niedrigen Katafalk ein schwarzer Sarg, der auf dem stufenförmig erhabenen Deckel einen silbernen Palmzweig trug und ein christliches Kreuz – mit versilberten Füßen und Handgriffen, einst das Prunkstück des Beerdigungsgeschäftes von Julius Israel Hauser, Altona. Der ehemalige Laden selbst, schwarz gestrichen, zeigte neben der Tür, wo einst der Kühlschrank gewuchtet, ein großes Hakenkreuz auf dem Mauerwerk, silbern und umgeben von Strahlen und Wolken, überwölbt von der Inschrift: »Sinnige Trauer in nordischer Ehre.« Tischchen und Hocker, einst weiß, nun violett, belebten noch die gleiche Wand und trugen einen veilchenfarbenen Asternstrauß wie in früheren Zeiten. Den Ladentisch aber ersetzte ein erhöhtes Gestell mit einem Schreibpult und Stufen, hinter welchem Tom Barfey saß, Papier, Listen, Schreibzeug und ein nagelneues Telephon um sich geordnet, das umfangreiche Fernsprechverzeichnis nicht zu vergessen. In zwei großen, grünen Kübeln vollendeten ausladende Palmen den feierlichen Eindruck.
    »Tom«, rief Käte Neumeier, die ihr Staunen wie ihre Vertrautheit mit dem Hause aufs beste zur Führung des Gespräches veranlaßte. »Was tun Sie denn hier, und was ist hier überhaupt geschehen?«
    Ihr Gatte erkannte inzwischen den Anzug, den der junge Mann trug, und wunderte sich ein bißchen über den dringlichen und forschenden Ausdruck seiner hellen Augen unter der niedrig breiten Stirn und dem steilen Bürstenhaar. »Unser Hauswart, Herr Lehrer Reitlin, war so freundlich, mir die Anstellung zu verschaffen, als Teetjens verschwanden und die ›Volkswohl‹ hier einzog. Ihm verdanken wir auch diese Ausschmückung zu einerArt Kapelle.« Und seine Blicke ruhten auf der Inschrift an der Haupt- und Rückwand. Daß sie von ihm vorgeschlagen und durchgesetzt worden war, und daß ihre Anfangsbuchstaben den Namen »Stine« verbargen, behielt er für sich, ebenso daß Herr Reitlin auf die schlichtere Fassung »Stille Trauer in nordischer Erde« keinesfalls eingehen wollte. »Herr Oberstleutnant Lintze hat mit Herrn Teetjen dienstlich zu sprechen, in Rutengängersachen«, erklärte Käte weiter, »weiß denn nun niemand, wo Teetjens hin sind?« – »Im Leichenschauhaus zu besichtigen«, verkündete eine trockene Stimme; ein Herr mit gewelltem Bärtchen, grauem Scheitel und wichtiger Miene trat aus dem einstigen Wohnzimmer, verneigte sich und stellte sich als Lehrer Reitlin vor, bereit, mit allen erdenklichen Angaben zu dienen.
    Er hatte den Redensarten von der plötzlichen Fahrt nach Spanien nur solange getraut, bis er in der Schublade die Taschenuhr entdeckt mit der Zuschrift: für Tom Barfey. Wer auf Reisen ging, nahm lieber zwei Uhren mit statt einer oder gar keiner. Das sah höllisch nach Abschiedsgeschenken aus, nach letzten Regelungen, Testament. Der Scheck für Herrn Lehmke, der übrigens richtig honoriert wurde, vollendete das Bild eines gewissenhaften deutschen Bürgers, den die rote Meute, das unterirdische Hamburg, in den Tod gehetzt. Daß der verkaufte Lieferwagen sich auf Finkenwärder vorfand, wies Herrn Reitlins Verdacht die geeignete Richtung. Leider verzögerten Bürokratismus und Amtsschimmelei die Nachforschungen, die er damals schon angeregt hatte. Gestern erst hatte man die Körper des Ehepaars entdeckt und geborgen und ihn und die Teetjenschen Erben zur Identifizierung bestellt. Wann man sie zur Beerdigung freigab, stand noch dahin. Mutmaßlich hatte Herr Teetjen zuerst seine Gattin und dann sich selber getötet; Einzelheiten, wie die Leichenschau sie ergab, überließ man besser den Sachverständigen. Die »Volkswohl« stellte auf ihrem Gelände in Ohlsdorf ein Doppelgrab zur Verfügung, nämlich bei dem Rondell mit den hohen Wacholdern, Sturm Preester werde seinen »gefallenen Kameraden« und dessen treue Lebensgefährtin mit militärischen Ehren zur Ruhe bringen, und Kamerad Vierkant einen Kranz des Gruppenführers Footh niederlegen und eine kurze Rede halten: Richtet nicht,auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Er,
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