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Das Amulett

Das Amulett

Titel: Das Amulett
Autoren: Stephan R. Bellem
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sein persönliches Arbeitszimmer befunden, als er noch Kommandant der Stadtwache war. Es lag im zweiten Stock des Steinbaus, und vom Fenster jenes Zimmers aus konnte man den nördlichen Teil Surdans und die Todfelsen überblicken. Nach dem Sieg gegen Xandor hatte Grunduul Ul‘goth dorthin bringen lassen, wo der Orkhäuptling nun im Fieber lag.
    Tharador blickte erneut aus dem Fenster nach Norden, und wieder überkam ihn ein beklemmendes Gefühl.
    Die schneebedeckten Todfelsen erhoben sich drohend am Horizont. Sie wirkten fast wie das aufblitzende Gebiss eines Raubtiers, und Tharador wusste, dass die Berge mindestens so gefährlich waren.
    Der Paladin vermutete, dass der Winter sie in weniger als einem Mond erreichen würde. Dann wäre das Land wieder mit einem großen weißen Tuch bedeckt, und die Natur würde sich darunter verbergen.
    Immer noch durchstreiften die vergangenen Ereignisse Tharadors Gedächtnis.
    Der Kampf gegen Xandor lag bereits Tage zurück. Sie hatten den toten Körper des Magiers noch in derselben Nacht verbrannt. Tharador hatte darauf bestanden, die in eine Urne gefüllte Asche im Kellergewölbe des Arkanums zu vergraben. Er hoffte, dass von der Asche des Magiers keine Gefahr mehr ausging, doch Xandor war überaus mächtig gewesen, und Tharador wusste zu wenig über Magie, um sicher sein zu können, dass der Hexer nicht doch einen Weg finden würde, die Welt mit seinen Überresten zu vergiften. Er musste an seinen Vater, Throndimar, denken, der damals den mächtigen Karandras mit seinem Schwert erschlagen hatte. Selbst als er bereits tot war und seine Gebeine erkalteten, steckte das Böse, das er ausstrahlte, den machthungrigen Geist Xandors an.
    Der Sieg über Xandor war in erheblichem Ausmaß ein Verdienst des Orkkönigs. Es war Ul‘goths Hammer gewesen, der den Magier durch das Fenster geschleudert hatte. Ul‘goth war ein ehrenhafter Krieger und schien ein ebenso weiser Herrscher zu sein. Tharador hoffte, mit ihm über einen dauerhaften Frieden verhandeln zu können.
    Frieden. Konnte es zwischen Menschen und Orks tatsächlich Frieden geben?
    Vor einigen Monden hätte Tharador sich nach dem Kampf gegen Xandor noch auf Ul‘goth gestürzt, um die Gräueltaten an seiner Heimatstadt zu rächen. Doch er hatte in den letzten Tagen viel gelernt und erkannt, dass Ul‘goth von Xandor benutzt worden war. Tharador war des Tötens überdrüssig. Früher hatte er es oft als notwendig, ja unausweichlich empfunden, aber letztendlich hatte es nie eine Verbesserung der Lage gebracht. Leid führte nur zu noch mehr Leid. Mittlerweile hatte er das begriffen. Umso mehr setzte er alle Hoffnung auf Ul‘goth und darauf, dass seine Einschätzung der Beweggründe des Orkkönigs richtig war.
    Allerdings machte Ul‘goths derzeitiger Zustand solche Verhandlungen unmöglich. Der hünenhafte Ork war noch immer vom Kampf gezeichnet. Die von Xandor beschworenen Golems hatten ihm schwer zugesetzt, und seit jener Nacht lag Ul‘goth in seinem Schlafgemach. Niemand außer dem Schamanen Grunduul hatte Zugang zu diesem Zimmer. Tharador hoffte auf eine baldige Genesung des Orkkönigs, denn er bezweifelte, dass ein möglicher Nachfolger den Menschen ähnlich freundlich gesinnt wäre. Momentan wurden sie in Surdan geduldet, standen jedoch unter ständiger Beobachtung.
    Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Khalldeg die Tür zu seinem Zimmer wuchtig aufstieß.
    »Junge, komm mit. Wir haben Besuch«, dröhnte die Stimme des Zwergs durch den Raum, dann war er auch schon wieder verschwunden.
    Tharador griff unwillkürlich nach seinem Schwert. Wer mag der Besucher sein? In letzter Zeit war einfach so viel Schreckliches geschehen, und dieses unbestimmte Gefühl, dass noch nicht alles ausgestanden sein könnte, ließ Tharador allem und jedem gegenüber Misstrauen empfinden.
    Der Paladin sog noch einmal die klare Morgenluft ein, zwang seine Finger bewusst, das Schwert loszulassen, und folgte dem lauten Poltern seines kleinwüchsigen Freundes.
    * * *
    »Was bezweckt Ihr eigentlich mit dieser Heerschau?«, fragte der Graf den Kommandanten seiner Truppen.
    »Eure Macht zu sichern«, lautete die knappe Antwort.
    »Werde ich denn bedroht?«
    »Die Welt, Herr, ist Euch nicht so wohlgesonnen, wie Ihr annehmen mögt. Man begegnet Euch mit Höflichkeit, doch warten alle nur, dass Ihr ihnen den Rücken zukehrt, um Ränke gegen Euch zu schmieden. Dieses Heer wird das Gleichgewicht erhalten und Eure Position stärken.«
    Graf Totenfels zog
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