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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer
Autoren: wentworth
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und sich auf ihren eigenen Strand zubewegten. Sie bekam es kaum mit, als sie dort ankamen.
    Rafes Stimme, die sie rief. Rafes Hand, die sie hochzog und ihr auf die Beine half. Sein Arm um sie.
»Kannst du gehen? Es wäre besser. Schaffst du es bis zur Treppe? Ich kann dich nicht hier lassen, die Flut kommt. Leg deinen Arm um meinen Hals und probier’s.«
Sie kamen zur Treppe. Stiegen sie hinauf. Er trug das meiste von ihrem Gewicht. Bei jeder Station ihres Weges schien es, als habe sie nicht mehr genug Kraft für den nächsten Schritt, doch jede Station wurde erreicht. Vom Ufer zur Mauer. Von der Mauer den langen Weg, der bei Tag so grün und jetzt so dunkel und voller Schatten war. Weiter und weiter, zwischen den Statuen und Zypressen des italienischen Gartens hindurch. Über die Terrasse und endlich ins Haus.
In der Halle brannte noch Licht. In das Licht zu treten war wie die Rückkehr aus einer anderen Welt. Lisle war wach genug, um zu merken, wie sehr sie fror. Und dann kam William, und Rafe sagte ihm, dass sie einen Unfall hatte und er sofort Lizzie und eines der anderen Mädchen holen solle.
Was danach geschah, huschte nur noch vage durch ihr benommenes Bewusstsein. Lizzie und Mary, so hilfsbereit, ein heißes Bad, etwas Heißes zu trinken, ihr eigenes Bett. Das alles glitt wie im Traum an ihr vorbei. Sie verspürte keine Glücksgefühle, es waren nur Eindrücke. Dann durch die Eindrücke hindurch etwas, das die Betäubung durchdrang – Rafes Hand auf ihrer, Rafes Stimme.
»Du bist jetzt in Sicherheit, Lisle. Lizzie bleibt bei dir. Hörst du mich? Du bist jetzt sicher.«
Sie sagte: »Ja.«
Das Gefühl der Sicherheit kam wie eine Flutwelle über sie. Sie sank durch sie hindurch in tiefsten Schlaf.
    47

    Rafe Jerningham trat ins Arbeitszimmer und schloss die Tür. Es war wenige Minuten vor Mitternacht. Er setzte sich an Dales Schreibtisch, nahm den Telefonhörer ab und rief am Flugplatz von Tanfield an. Es meldete sich eine bekannte Stimme.
    »Hallo.« »Hallo, Mac! Hier ist Rafe Jerningham. Ist mein Cousin schon gestartet?«
Macs Stimme antwortete mit schottischem Akzent.
»Ich bin nicht ganz sicher. Er ist aufgehalten worden. Johnson hat noch was am Flugzeug repariert, und ich weiß nicht, ob er schon gestartet ist. Wollen Sie ihn sprechen?«
»Ja. Passen Sie auf, Mac, holen Sie ihn, wenn er noch nicht gestartet ist. Wir hatten hier einen Unfall, sagen Sie ihm das. Bitten Sie ihn, ans Telefon zu kommen.«
»Hoffentlich nichts Schlimmes.«
Rafe sagte: »Schlimm genug.«
Er hörte, wie Macs Schritte sich entfernten. Sie klangen unnatürlich laut in dem leeren, hallenden Gebäude. Dann waren sie nicht mehr zu hören. Er wartete auf die anderen Schritte, Dales Schritte, die herbeieilten, um zu hören, dass Lisle tot war. Es war sehr still im Raum.
Schließlich kamen die Schritte, schnelle, ungeduldige Schritte eines Mannes, der es wissen will. Dann das Geräusch des aufgenommenen Hörers und Dales Stimme.
»Bist du’s, Rafe? Was ist passiert?«
»Es hat einen Unfall gegeben.«
»Wer?«
»Lisle. Ich habe sie gefunden.«
»Wo?«
»In einem der Wasserlöcher hinter den ShepstoneFelsen.«
»Tot?«
»Nein, sie lebt.«
Es folgte eisiges Schweigen. Nicht ein einziges Wort über all die Dinge, die dieser Satz zunichte gemacht haben musste. Dann, nach einer unendlich scheinenden Zeit, Dales Stimme:
»Ist sie verletzt?«
»Nein.«
»Bei Bewusstsein?«
»Völlig.«
»Hat sie geredet?«
»Ja.«
Es entstand eine Pause. Dann sagte Dale Jerningham:
»Ich verstehe.« Und dann: »Was passiert jetzt?«
»Das liegt bei dir.«
»Es gibt also keinen Kompromiss?«
»Wie sollte der aussehen?«
Wieder entstand eine Pause. Dale lachte.
»Dass du dich auch immer einmischen musst! Warum konntest du dich nicht um deine Angelegenheiten kümmern! Nur aus Neugier wüsste ich gerne, wie du sie gefunden hast.«
»Spuren im Sand, zwei Paar gehen in eine Richtung, und nur ein Paar kommt zurück.«
»Tja, Pech gehabt. Man kann sein Glück nicht erzwingen. Das Schicksal war von Anfang an gegen mich. Und jetzt, wirst du March in die Sache hineinziehen?«
»Muss ich. Es geht auch um Pell.«
»Gut, dann tu es. Auf meiner Kommode liegt ein Brief in einem unbeschrifteten Kuvert, den kannst du vorher holen. Das ist alles. Ich fliege jetzt. Du kannst mich in einer Minute über dem Schloss hören. Mach’s gut.« Der Apparat klickte. Die Leitung war tot.
Rafe legte auf und erhob sich. Einen Augenblick stand er unter dem Licht und blickte hinauf zu dem Bild
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