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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER
Autoren: Jennifer McMahon
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dem kalten Zementboden, fühlte Neptuns Hände um ihren Hals. Sie wachte schaudernd, aufschreiend auf, und Len machte dann das Licht an, hielt sie fest und sagte: »Es ist okay. Ich bin hier. Du bist in Sicherheit.« Und sie blickte sich dann um, sah die soliden Steinmauern vom Schloss ihres Vaters, fühlte das weiche Gewicht der Steppdecke mit dem Drunkard’s-Path-Muster, die sie bedeckte, und wusste, dass er recht hatte. Sie war in Sicherheit. Sie war zu Hause.
    »Teile des Hauses sind in einem so abgerissenen Zustand«, sagte Tara. »Wäre es nicht besser, alles niederzureißen?«
    Tara trug Jeans und ein Sweatshirt, weiße Verbände bedeckten die Stelle, wo ihre rechte Hand gewesen war. Sie sprach bereits von einer Handprothese und hatte einen Termin, um die Hand vermessen und anpassen zu lassen. Sie wollte jedoch nicht einfach nur eine neue Hand. Sie sagte, sie wolle eine Hand für jede Gelegenheit: eine Hand mit Pailletten und Glimmer für Ausgehabende in der Stadt; eine Hand, die mit einer Tätowierung bedeckt war; eine Hand, auf die ein Gedicht geschrieben war.
    »Es niederreißen? Auf keinen Fall!«, protestierte Reggie. »Nicht nach all der Arbeit, die in dieses Gebäude investiert worden ist. Dieses Haus war ein Werk der Liebe. Mein Großvater muss an die tausend Male den Wunsch verspürt haben, aufzuhören, aber das tat er nicht, weil er seiner Frau ein Schloss versprochen hatte.«
    Tara lächelte in ihrer vertrauten, neckenden Art. »Wie romantisch.«
    »Die Idee war romantisch«, sagte Reggie. »Aber es zu bauen, muss höllisch hart gewesen sein. All diese Steine zu transportieren. Die Wände mit der Hand aufzuschichten.«
    »Es ist eine erstaunliche Leistung«, stimmte Tara zu. »Und ein ziemliches Vermächtnis, das er da hinterlassen hat.«
    »Es ist ein Kunstwerk«, sagte Len.
    »Wisst ihr, ich habe nachgedacht«, sagte Reggie. »Mein gesamter beruflicher Fokus lag auf nachhaltigem Design, und was ist denn nachhaltiger, als wenn Leute genau da bleiben, wo sie sind? Einfach die Häuser in Ordnung zu bringen, die sie bereits haben – sie grüner zu machen, energiesparender. Ich dachte, ich mache vielleicht ein paar neue Projekte in der Richtung, fange gleich hier in Moniques Wunsch an. Ich war gestern Abend lange auf und habe ein paar Ideen skizziert – ein neues Dach mit einem Regenauffangsystem und Solarwärmetauschern. Die Fenster austauschen, ein paar weitere an der Südseite einbauen. Vielleicht eine Fußbodenstrahlungsheizung. Ich dachte, ich könnte den Dachboden renovieren, ihn zu einem Arbeitsraum für die Zeit machen, während ich hier bin. Vielleicht ein paar Dachfenster und Oberlichter ergänzen.«
    »Ehrgeizig«, sagte Tara.
    »So bin ich«, sagte Reggie lächelnd.
    »Was ist mit dem Projekt, an dem du gearbeitet hast,«, fragte Tara. »Dem kleinen Schneckenhaus?«
    »Das Nautilus habe ich fürs Erste zurückgestellt«, sagte Reggie. Sie war sich jetzt nicht mehr so sicher bezüglich der Idee, dass die Leute als Nomaden, die mit ihrem Haus auf dem Rücken von Ort zu Ort wandern, besser dran waren. Vielleicht hatte Len die ganze Zeit recht gehabt: Ein Zuhause war ein fester Ort, an dem man Wurzeln schlug, wo die Mauern Erinnerungen in sich bargen und die eigene Familie sich um einen versammelte.
    »Ich will meine ganze Energie in Moniques Wunsch stecken. Ich denke sogar darüber nach, hier in den Vororten ein paar Renovierungsseminare zu geben.«
    »Ich finde es großartig, dass du hier bleiben willst. Es wird für deine Mutter einen großen Unterschied machen. Und selbst wenn sie es nicht sagt, wird es Lorraine viel bedeuten.«
    Reggie nickte. Lorraine hatte wenig über George gesagt. Reggie hatte sie nicht dazu gedrängt – ihre Tante war nie jemand gewesen, der seine Gefühle laut verarbeitet hatte. Reggie hatte außerdem entschieden, Lorraine nichts darüber zu sagen, dass George ihr Vater war, oder über die vielen Einzelheiten von Georges Psychose, die sie aufgedeckt hatte. Es gab nur eine bestimmte Menge an Dingen, die ein Mensch ertragen konnte. Das Wichtigste war, dass sie alle in Sicherheit waren. Es war endlich vorbei. Sie hatten ihr restliches Leben für den Versuch, es zu verstehen, die fehlenden Teile zusammenzusetzen. Aber im Augenblick gab es dringendere Sachen. Wie Kartenspiele und Schokoladenpudding mit Vera.
    Die Ärzte wussten nicht, wie lange Vera noch hatte – Wochen, Monate höchstens. Doch wie viel Zeit auch immer sie noch hatten, Reggie war entschlossen, das
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